Die schöne Parfümhändlerin
freudlosen Lachen. „Sie ist der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit.“
„Und mit der Freiheit, die uns der Karneval gestattet, wer weiß, was da geschieht?“
„Genau!“
„Aber sei bitte vorsichtig, Marcos.“
Nicolais Stimme, die sonst immer so heiter und ein wenig spöttisch klang, war plötzlich ganz leise und ernst geworden. Marcos sah ihn verwundert über den Rand seines Bierbechers an.„Das bin ich immer. Wie könnte ich sonst als Kapitän eines Handelsschiffes überleben?“
Nicolai schüttelte den Kopf. „Ermano ist allseits bekannt für seine Heimtücke, selbst in dieser gefährlichen und heuchlerischen Stadt Venedig fürchtet man ihn.“
Plötzlich sah Marcos das Bild vor sich, das ihn überallhin verfolgte, das er niemals würde abschütteln können: das blonde Haar auf dem Marmorboden, diese schrecklich ausdruckslos ins Leere blickenden blauen Augen, am weißen Hals eine rote klaffende Wunde. „Ja, das weiß ich.“
„Und du willst immer noch mit dem Teufel feilschen?“
Marcos leerte den bitteren Rest des Glases. „Ich habe lange gebraucht, bis ich endlich so weit war. Schon viel zu viel Zeit ist vergangen, und nun muss ich endlich das Versprechen erfüllen, das ich einmal gemacht habe.“
„Ich dachte es mir. Du hast dich schon immer wie ein störrischer Esel verhalten. Erinnere dich nur an den Tag, als ich dir zum ersten Mal in dem schäbigen Bordell in Deutschland begegnet bin.“
Marcos lachte. „Du musst ja nicht mitmachen. Ich will nicht schuld sein am Unglück der wenigen Freunde, die ich noch besitze. Letztendlich geht es um mein ganz persönliches Problem.“ Doch Marcos wusste genau, dass er auf Nicolais Hilfe nicht verzichten konnte. Damals, in jenem Bordell, hatte ihm Nicolai das Leben gerettet. Aber er hatte Nicolai dann dafür viele Male das Leben gerettet. Und dieses Mal brauchte er die Rückendeckung des Freundes wirklich mehr als alles andere.
Nicolai grinste. Nun war er wieder ganz der fröhliche Harlekin. „Wie sonst könnte ich mich in diesen Tagen zerstreuen? Die Truppe reist nicht weiter. Während Karneval und der Fastenzeit bleibt sie in Venedig. Erst wenn das Volk wieder nach Fröhlichkeit verlangt, reisen wir weiter nach Mantua. Solange kannst du über mich und meine armseligen Fähigkeiten verfügen, leone.“ Die Traurigkeit, die für einen kurzen Moment in Nicolais Augen lag, überspielte er mit einem unbekümmert klingenden Lachen.„Ich bezweifle übrigens, dass viele Venezianer das für dein persönliches Problem halten würden. Wenn du mich fragst, ich glaube, manch einer würde es gerne und freiwillig mit dir teilen.“
Bevor Marcos nachfragen konnte, wurde die Tür der Schankstube geöffnet und ließ einen kalten Lufthauch und Tageslicht herein – und Julietta Bassanos Dienerin. Zielstrebig ging das Mädchen zur Theke.
„Signora Bassanos Dienerin. Ich glaube, sie heißt Bianca“, flüsterte Marcos.
„Ja, ja“, nickte Nicolai weise. „Die beste Vertraute einer Dame ist oftmals die Zofe. Diese scheint mir … besonders viel zu wissen.“ Ohne ein weiteres Wort stand Nicolai auf, ging quer durch den Schankraum und stellte sich neben Bianca. Es dauerte nicht lange, da wurde gescherzt und geschäkert, helles Lachen tönte durch den dunklen, rauchigen Raum. Da Marcos wusste, dass Nicolai noch eine ganze Weile beschäftigt sein würde, legte er ein paar Münzen neben die leeren Becher und verließ das Gasthaus.
Der beginnende Tag hatte die Nebel vertrieben, ein trübes milchigweißes Licht lag auf dem dunklen Wasser und den pastellfarbenen Häusern. Marcos zog seinen kurzen Umhang enger um die Schultern und die Mütze tief ins Gesicht und tauchte ein in die Menschenmenge, die in Richtung der Werft des Arsenals strömte. Niemand erkannte ihn als Il leone. Er fühlte sich frei, zu gehen, wohin ihn seine Füße trugen.
Doch seltsamerweise wünschte er nichts sehnlicher, als zurück zu der blauen Tür von Julietta Bassano zu wandern. Verweilen und träumen wollte er in ihrem Laden mit den süßen verführerischen Düften, diese schlanke, anmutige Dame beobachten, wie sie hinter ihren Ladentisch ging und sich Veilchenöl auf die weiße Haut träufelte. Wahrlich eine bestrickende, rätselhafte Frau, deren köstliches Geheimnis er mit Freude alsbald lösen wollte.
Doch jetzt noch nicht. Auch wenn er schon auf halbem Weg zu ihrem Laden war, wusste er, noch war es zu früh. In zwei Tagen erst wollte er zurückkommen, hatte er gesagt. Zwei Tage,
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