Die schöne Parfümhändlerin
Kinder fehle, die Leben in sein Haus bringen würden. Wäre der Gedanke nicht so abwegig, hätte Julietta angenommen, der Conte mache ihr den Hof. Sie war Ausländerin und eine einfache Ladenbesitzerin. Für ihn kam nur eine Heirat mit einer noblen Venezianerin infrage. Das war Juliettas einziger Trost, wenn Grattiano so eigenartig zu ihr sprach. Doch heute verspürte sie tief in ihrem Innern ein leises Angstgefühl. Irgendetwas stimmte nicht.
Sie trat einen Schritt zurück. „Euer Fest, Conte Grattiano, war absolut perfekt.“
„Außer dass es der wichtigste Gast viel zu früh verlassen hat“, sagte er in einem Ton, der vor Liebenswürdigkeit nur so triefte. „Bitte, Signora Bassano, erlaubt mir, für Euch eine Privataudienz im Dogenpalast zu bewirken und Euch danach zum Abendessen zu zweit in mein Haus einladen zu dürfen. Es gibt so vieles, was ich Euch anvertrauen möchte und was Ihr unbedingt hören müsst.“
Jetzt wusste Julietta, dass sie in Gefahr war. Sie langte nach einer der größeren Parfümflaschen, bereit, sie, wenn nötig, als Waffe zu benutzen. „Das kommt … sehr plötzlich.“
Ermano schüttelte den Kopf. „Meine Bewunderung für Euch dürfte Euch doch nicht entgangen sein, Signora Bassano.“ Er näherte sich ihr wieder. Als sie unwillkürlich die andere Hand hob, weil sie fürchtete, er käme ihr zu nahe, hielt er inne und lächelte gewinnend. „Gewiss, es kommt zu plötzlich. Vergebt mir, Signora. Ich verlasse Euch jetzt. Denkt über meine Einladung nach. Ich erwarte Eure Antwort in ein oder zwei Tagen. Glaubt mir bitte, Signora, ich hege größte Bewunderung für Euch und wünsche mir von Herzen, ich könnte Euch von den Vorteilen, das Leben mit mir zu teilen, überzeugen.“
„Wenn es um meine Besitztümer geht …“
Ermano sah sie an, als habe sie ihn zutiefst verletzt. „Bestimmt nicht! Zunächst war mir tatsächlich nur daran gelegen, Euer Land zu kaufen. Es würde den Wert meiner Ländereien erhöhen. Doch dann sah ich Euch und fand, dass Ihr es seid, die den Wert wesentlich erhöhen könntet.“ Bevor sie ihn daran hindern konnte, langte er nach ihrer Hand und führte sie an seine Lippen.
Julietta ekelte sich vor seinem Handkuss, der so aalglatt liebenswürdig … einfach widerlich war. Sie zog ihre Hand zurück, versteckte sie zwischen den Rockfalten und rief: „Bianca! Conte Grattiano möchte gehen.“
Er lächelte etwas verdrießlich, als Bianca mit seinem Umhang aus dem Nebenraum gestürzt kam. „Dann bis später, Signora“, sagte er, doch an der Türschwelle drehte er sich plötzlich noch einmal um. „Ich hoffe, Ihr wisst, dass ich es wirklich ernst meine. Voller Ungeduld werde ich Eure Antwort erwarten.“ Dann langte er nach seinem Umhang.
Nachdem die Tür hinter ihm geschlossen war und Bianca den Riegel vorgeschoben hatte, sank Julietta gegen den Ladentisch. Sie stellte die Parfümflasche ab, die sie die ganze Zeit festgehalten hatte. Sie zitterte wie Espenlaub. Am liebsten wäre sie ganz weit weggerannt, hinaus in die Nacht geflohen.
Doch das war nicht möglich. Jetzt nicht.
„Was wollte er, Madonna?“, fragte Bianca.
Julietta schüttelte den Kopf. Was sollte sie antworten? „Meinen roten Umhang zurückbringen.“ Dann drehte sie sich ganz plötzlich um und rannte die Stiege hinauf, als sei der Teufel hinter ihr her. Sie brauchte die Stille und Einsamkeit ihrer Kammer, um wieder klar denken zu können. Und vor allem musste sie Ermanos Parfüm loswerden. „Mach viel Wasser heiß, Bianca. Mit Limone und Lavendel!“, rief sie.
In ihrer Kammer entledigte sie sich der Kleider, zog die Haarnadeln heraus, löste den Zopf und schüttelte das offene Haar über die Schultern. Dann holte sie mehrmals tief Luft, so lange, bis sie wieder Ruhe und Gelassenheit fand.
Ermanos Antrag war ein unvorhergesehenes Problem. Er gehörte nicht zu den Männern, die einen Korb mit Würde … oder überhaupt anerkannten. Doch eines hatte sie von ihrer Großmutter gelernt: Für jedes Problem konnte eine Lösung gefunden werden.
Die Tür zu Juliettas Laden wurde geöffnet, warmes, goldenes Licht ergoss sich über die Steine auf dem Platz. Marcos hielt inne und suchte Schutz in dem dunklen Torbogen, wo er einst zusammen mit Nicolai das Haus beobachtet hatte, zu dem es ihn nun so eilig drängte. Klatsch und Tratsch gehörten zu Venedig und waren ein unvermeidlicher Teil des Lebens in dieser Stadt. Es war nahezu unmöglich, in dieser Stadt etwas geheim zu halten. Trotzdem zog
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