Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
Vom Netzwerk:
Macht.
    Ihr Blick schweifte über das Regal mit den kostbaren Büchern. Bände von unschätzbarem Wert, die sie sorgsam aus Mailand mitgebracht hatte. Es war das Vermächtnis ihrer Mutter und Großmutter, das unter allen Umständen erhalten werden musste. In diesen Büchern war das Wissen von Jahrhunderten gesammelt. Und ihr waren sie anvertraut, sie durfte darüber verfügen und sie nutzen.
    Julietta langte nach einem schmalen, in grünes Leder gebundenen Band. Die Bindung war neueren Datums, aber der Inhalt in verblichener schwarzer Tinte auf gelblichem Pergament war sehr alt. Auf dem Totenbett hatte ihre französische Großmutter es ihr in die Hand gedrückt. „Die Rezepte sind uralt, ma petite“, hatte ihre Großmutter geflüstert. „Und sehr, sehr gefährlich. Ich hoffe, du brauchst sie nie zu benutzen, aber wer weiß, was im Leben passiert. Nimm sie, und hüte sie gut.“
    In der Tat hatte Julietta diese Rezepte nie benutzt. Wieso auch? Es waren geheime Schlachtanweisungen aus Griechenland, Rom, Ägypten und Mesopotamien. Grausame, wirksame Methoden, den Feind ins Jenseits zu befördern. Praktiken, die in Troja und bei den Thermopylen angewandt worden waren, doch nicht hier in Venedig, wo die Feinde Klatsch und Eifersucht hießen.
    Behutsam hielt Julietta das Buch in ihren Händen, das Leder war kühl und weich. Sie dachte an die Kerbe im Rumpf der Elena Maria. Bei seinem Kampf mit den Piraten hatte Marcos Glück gehabt. Glück und Natur waren an jenem Tag auf seiner Seite gewesen. Das nächste Mal konnte es ganz anders sein.
    Sie blätterte durch die Seiten, sah Schaubilder von komplizierten Belagerungsmaschinen, Zeichnungen von schrecklichen Waffen, Rezepte für Giftpfeile, bis sie schließlich fand, wonach sie suchte. Das war etwas, was ihm in der nächsten Schlacht helfen konnte, wenn er es brauchte.
    Doch das Wagnis, es hier in ihrem Laden herzustellen, war zu groß. Zum einen stand ihr Haus zwischen all den anderen Gebäuden, zum anderen besaß sie hier in ihrer Arbeitsstätte auch nicht alle Zutaten. Wenn etwas danebenging …
    Die Vorstellung machte ihr Angst. Aber was sollte schon passieren? Sie wusste, welche Sicherheitsvorkehrungen sie treffen musste. Dennoch konnte man nicht vorsichtig genug sein. Ihre Ländereien auf dem Festland, hinter denen Ermano Grattiano so her war, waren ein guter Ort für diese Arbeit. Das Landhaus stand leer, seitdem das Verwalterehepaar in sein eigenes Haus gezogen war. Dort hatte sie Platz und Ruhe, ihr Geschenk herzustellen.
    Julietta holte zwei weitere Bücher aus dem Regal und suchte in Kästen und Kistchen die passenden Kräuter und Werkzeuge zusammen. Alles band sie ordentlich in ein Leinenpäckchen, das ihr Todesurteil bedeuten konnte, wenn man es fand.
    Pünktlich zu ihrer Verabredung mit Marcos morgen Abend wollte Julietta zurück sein, solange konnte Bianca auf den Laden aufpassen.

17. KAPITEL
    „Signor Velazquez!“ Markerschütternd, keinen Widerspruch duldend, donnerte es gegen die Tür. „Signor Velazquez, sofort aufmachen!“
    Marcos setzte sich auf die Bettkante. Müde und verwirrt strich er sich die Haare aus der Stirn. Erst bei Sonnenaufgang war er in einen unruhigen Schlaf mit lustvollen Träumen von Julietta gesunken. Was konnte diese Störung bedeuten?
    Verschlafen blinzelte er zum Fenster. Helles Tageslicht. Es musste bereits um die Mittagszeit sein. Doch er hörte keinerlei Geräusche von der Gasse, kein Gemurmel vorbeieilender Menschen, keine lauten Begrüßungen, kein Geschrei der Händler und Hausierer. Es war absolut still – bis auf das Hämmern an seiner Tür.
    Marcos dachte daran, dass seine Kammer schon einmal heimlich durchsucht worden war und dass sich jemand an seiner Parfümflasche zu schaffen gemacht hatte. Er erinnerte sich an seinen Besuch im Dogenpalast, an die wachsamen Augen, die argwöhnischen Fragen.
    „Julietta“, flüsterte er. Vor Schreck wurde ihm die Brust eng, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Hastig glitt er vom Bett, griff nach seinem Umhang und legte sich den kühlen Brokat über die nackten Schultern. Dann schob er den Riegel beiseite und riss die Tür auf, nicht wissend, was ihn erwartete. Ein Haftbefehl? Juliettas aufgespießter Kopf? Ein paar Mordgesellen mit dem Auftrag, ihn zum Krüppel zu schlagen? Seine Hand umschloss fest den Griff des Dolches, den er in den Falten seines Umhangs verbarg. Aber vor der Tür stand nur ein schmächtiger Mann in einer kostbaren roten Samtrobe. Unter dem

Weitere Kostenlose Bücher