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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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ebenfalls roten Samtbarett, das eine Goldbrosche irgendeines Amtes zierte, hatte sich eine lange, helle Haarsträhne gelöst. Zu dieser Person schien das brutale Donnern gegen die Tür so gar nicht zu passen. Aber hinter ihr standen zwei größere Wachen in der weiß-goldenen Livree des Dogen.
    „Ja?“, fragte Marcos kühl.
    Als sei er überrascht durch das plötzliche Öffnen der Tür, trat der kleine Mann einen Schritt zurück. Schnell hatte er sich wieder gefangen, straffte die Schultern und zog seinen Umhang fester um sich. „Signor Velazquez?“
    „Der bin ich.“
    „Ich bringe eine Aufforderung zur Audienz bei seiner Exzellenz im Dogenpalast. Es handelt sich um eine Angelegenheit äußerster Dringlichkeit.“
    Marcos’Blick glitt über die unbeteiligt dreinschauenden Wachen zur schmalen Stiege hinter ihnen. Nur eine einzige Gestalt konnte er dort im Halbschatten erkennen, die Vermieterin mit Schürze und Staubtuch. Sicherlich musste er sich nun eine neue Bleibe suchen – falls man ihm eine solche nicht gleich kostenlos in den Bleikammern, dem gefürchteten Gefängnis im Dogenpalast, zukommen ließ.
    Wie konnte die Anklage gegen ihn lauten? War die Liebe zu Julietta so übermächtig, dass er darüber sein eigentliches Anliegen vergessen hatte? Hatte er sie – oder sich selbst – nicht genügend geschützt?
    „Wann?“, fragte er den Boten.
    „Sobald Ihr angekleidet seid“, antwortete der schmächtige Mann. „Seine Exzellenz betonte die erforderliche Eile.“
    Marcos blickte wieder zu den beiden Wachsoldaten, die lange Piken mit Stahlspitzen in den gepanzerten Handschuhen hielten.
    „Wir haben den Auftrag, Euch zum Palast zu begleiten“, verkündete der Bote.
    Marcos nickte kurz, trat zurück in den Raum und schlug den Wachen die Tür vor der Nase zu. Während er sich seines Umhangs entledigte und zu der Waschschüssel mit dem kalten Wasser ging, dachte er an die vergangene Nacht, an sein Schiff und den sicheren Rückzugsort, den er dort besaß, und an die offene See, die ihn bereits erwartete. Er dachte an Julietta, an den Jasminduft in ihrem Haar, an ihren nackten, warmen Körper in seinen Armen, an die sinnliche Schwere ihrer Leidenschaft in der salzigen Meerluft.
    Ich hätte sie dort halten sollen, überlegte Marcos ärgerlich, während er sich Gesicht und Brust mit kaltem Wasser benetzte. Wir hätten mit der morgendlichen Flut auslaufen und Venedig mit all seinen vertrackten Problemen weit hinter uns lassen sollen. Doch nun war es möglicherweise zu spät.
    Ein Befehl, sofort zum Dogenpalast zu kommen, so überraschend mitten am Tag, konnte wahrhaftig nichts Gutes bedeuten. Dennoch … Er wollte Julietta beschützen, alles wollte er tun, was in seiner Macht lag.
    Dieses Mal wurde Marcos nicht in den kleinen Audienzsaal mit dem polierten Marmorboden geführt, in dem prachtvolle Wandbehänge alle Geräusche dämpften und die lärmende Welt ausschlossen. In der Vorhalle, in der er mit der verärgerten, schwarz gekleideten Signora Landucci zusammengetroffen war, standen nur wenige Wartende. Lediglich einige Bedienstete eilten geschäftig durch die Halle.
    Es herrschte eine außerordentliche, bedrückende Ruhe. Marcos zog den kurzen Samtumhang enger um seinen Körper und tastete nach seinem langen verborgenen Dolch, der fest in der Scheide am Gürtel saß.
    „Hier entlang, Signore.“ Der Bote führte Marcos eine strahlend weiße Treppe hinauf. Die beiden Soldaten blieben zurück, nahmen Haltung an und verharrten regungslos mit ihren Piken am Fuße der Treppe.
    Im menschenleeren Korridor war es noch stiller als in der Vorhalle. Die Kerzen in den Messingleuchtern warfen Schatten auf die Fresken an den Wänden. Nur Schritte in schweren Stiefeln und das Rascheln von Kleidern waren zu hören.
    Am Ende des Korridors öffnete der Bote leise eine Tür und trat zur Seite. „Würdet Ihr hier bitte warten, Signore“, sagte er.
    Marcos nickte kurz und ging an dem Mann vorbei in den Raum. Im Gegensatz zu der angenehmen Wärme im Korridor erschien Marcos dieser Raum kalt und feucht, die Luft voller düsterer Vorahnung. Seltsamerweise fühlte er sich jedoch wie ein unbeteiligter Beobachter, als ob er das alles, in der Koje seines Schiffes liegend, träumte. Er war sich immer bewusst gewesen, dass sein Vorhaben in Venedig gefährlich war, dass er möglicherweise nicht lebend davonkommen würde, aber er war durchaus bereit gewesen, den Preis zu zahlen. Bislang.
    Nun jedoch sah er plötzlich Julietta vor seinem

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