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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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geistigen Auge und spürte wieder den Zauber ihres Lächelns. Es ging nicht mehr nur um ihn. Nun musste er nicht nur sich, sondern vor allem sie beschützen.
    Fast geräuschlos fiel die Tür hinter ihm zu. Anscheinend befand er sich allein in dem kleinen Raum. Es war so düster, dass er zunächst kaum etwas erkennen konnte. Vor dem einzigen Fenster hing ein schwerer Brokatvorhang, das Feuer im kleinen Kamin war heruntergebrannt und glimmte nur noch leicht. Es roch nach Rauch vom Feuerholz, die Luft war erdrückend stickig.
    Marcos blinzelte ein paar Mal und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Was erwartete ihn hier? Folterinstrumente, bereit für das nächste Opfer? Spanische Stiefel, Folterbank, die Eiserne Jungfrau?
    Nichts dergleichen. Er sah nur ganz normales Mobiliar, Stühle, einen langen Tisch, zwei Polstersessel. Und einen Mann, der still am anderen Ende des Raumes saß. Marcos wartete ab. Die Hand griffbereit am Dolch, beobachtete er, wie der Mann sich erhob und näher ans Feuer trat.
    Im Schein der letzten Glut erkannte er das Gesicht von Ermano Grattiano.
    Marcos verzog keine Miene, mit Eiseskälte unterdrückte er alle Gefühle. Jetzt war nicht der Moment, sich von leidenschaftlichem Hass überwältigen und die aufgestaute Wut vieler Jahre überschäumen zu lassen. Jetzt zählte nur messerscharfer Verstand. Später – wenn er überleben sollte – würde der passende Moment kommen.
    Ermano war heute durchaus nicht so prachtvoll wie sonst gekleidet, bemerkte Marcos. Keine feine Seide, keine Edelsteine. Düster wirkte das schwarze Gewand, das Ermano trug, bleich und ausdruckslos war sein Gesicht.
    „Mich habt Ihr hier wohl nicht erwartet, Signor Velazquez“, sagte er leise.
    „Man sagte mir, ich würde hier den Dogen treffen“, antwortete Marcos.
    „Ich handele heute im Auftrag des Dogen.“ Ermano hielt eine schmale Pergamentrolle mit Wachssiegeln und Bändern in die Höhe. „Ich besitze seine Vollmacht.“
    „Vollmacht wozu?“
    „Die Republik hat einen Auftrag für Euch, Il leone. Eine äußerst wichtige Aufgabe. Bei erfolgreicher Lösung wird Euch viel Dankbarkeit zuteil werden … und natürlich eine Belohnung.“
    Marcos lehnte sich gegen die Tür, aufmerksam beobachtete er Ermanos Gesicht. „Und bei nicht erfolgreicher Lösung?“
    Ermano zuckte mit den Schultern. „Eure Unternehmen schlagen doch nie fehl. Oder?“
    „Nein“, antwortete Marcos im Brustton der Überzeugung.
    „Na denn. Kommt, setzt Euch.“ Ermano deutete auf die beiden Sessel am Kamin. „Unsere Unterhaltung dürfte etwas länger dauern. Möchtet Ihr Wein?“
    „Nein, danke.“ Ohne Ermano aus den Augen zu lassen, ging Marcos zu dem angebotenen Sessel. Der herzlichen Freundlichkeit des Conte hatte er nie getraut, dieser ruhigen Selbstsicherheit traute er noch viel weniger.
    Ermano verzog die Mundwinkel zu einem kaum merklichen Lächeln, als er sich maßvoll Wein in einen Pokal goss. „Natürlich“, meinte er und nippte bedächtig an seinem Trunk. „Ihr seid ein Mann des Krieges, nicht wahr? Ein vorsichtiger Mensch. Gesellschaftliche Zwänge sind Euch fremd. Dennoch solltet Ihr den Wein kosten. Er ist hervorragend.“ Den Pokal in der Hand, setzte sich Ermano in den Sessel gegenüber Marcos. Eine ganze Weile beobachtete er Marcos, genau wie der ihn.
    „Sicherlich wollt Ihr mehr über Euren Auftrag wissen“, begann Ermano schließlich.
    Marcos erlaubte sich ein kurzes Grinsen. „Sprecht. Ich würde nämlich gerne schnellstens zurück in mein warmes Bett, nachdem man mich so rüde aus dem Schlaf gerissen hat.“
    Kurz funkelte ein eiskaltes Glitzern in Ermanos Augen. „Das glaube ich Euch. Aber diese Angelegenheit ist von lebenswichtiger Bedeutung.“
    „Für wen?“
    „Für die gesamte Stadt.“ Ermano lehnte sich in seinem Sessel zurück, stellte den Pokal ab und nahm die Pergament-rolle zur Hand. „Signora Bassano ist Euch ja bekannt, nicht wahr?“
    Das war es also. Es ging um Julietta. Marcos drückte die Fingerspitzen gegeneinander und schaute versonnen, als hätte er alle Zeit der Welt, auf das spitze Dreieck, ganz so, als sei sein Herz völlig unberührt. „Das wisst Ihr doch.“
    „Natürlich. Aber Euch ist doch auch bekannt, dass sie keine gebürtige Venezianerin ist und kein Teil der Rangordnung unserer Stadt.“
    „Also weder Fisch noch Fleisch.“
    Ermano rügte diese saloppe Ausdrucksweise mit einem scharfen, strafenden Blick. „Obwohl sie aus einer angesehenen

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