Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
allerersten Bissen, auch wenn so mancher im Schloss darüber die Nase rümpft.
Žit, so habe ich ihn genannt.
Žit, das ist böhmisch und bedeutet ›ich lebe‹.
*
Schloss Bresnitz, Juni 1558
»Sie ist sehr schwach.« Die Stimme der Wehmutter drang nur gedämpft an Philippines Ohr.
»Kein Wunder nach all den langen Stunden«, sagte Katharina besorgt. »Und die Wehen? Wie steht es damit?«
Anna schüttelte den Kopf.
»So wird sie es nicht austreiben können. Und es wird allmählich allerhöchste Zeit, wenn das Kind gesund bleiben soll.«
»Dann tu etwas!« Jetzt war Katharina laut geworden. »Wir brauchen Mutter und Kind. Ich werde Melissentee aufbrühen.« Sie rief nach Lenka und ordnete an, einen Kessel mit heißem Wasser aus der Küche zu holen.
»Das wird nicht genügen, und das wisst Ihr. Sie braucht die Roggenmutter. Das allein kann jetzt noch helfen.«
Wovon redeten sie?
Philippine wälzte sich unruhig hin und her. In einiger Entfernung sah sie den Gebärstuhl stehen, den Anna Ebesam angeschleppt hatte, doch das plumpe hölzerne Monstrum jagte ihr eher Angst ein, als dass es ihr echte Erleichterung verhießen hätte.
»Liebes!« Katharina nahm ihre Hand. »Du musst dich jetzt ein wenig beeilen, sonst wird es deinem Kind da drin bald sehr ungemütlich. Anna wird dir einen Tee einflößen, der bringt die ganze Angelegenheit in Schwung … «
Philippine stieß sie so heftig weg, dass Katharina aufschrie.
»Wo ist Žit?«, sagte sie. »Keinen Tropfen rühre ich an, solange er nicht bei mir ist!«
»Der Teckel? Ein Hund hat wahrlich nichts in einer Wöchnerinnenstube verloren … «
»Žit – oder meine Lippen bleiben verschlossen!«, beharrte Philippine.
Die beiden Frauen tauschten einen ratlosen Blick.
»Lasst sie gewähren«, sagte die Hebamme schließlich. »Ich hab schon ganz andere verrückte Wünsche erfüllen müssen. Viele Weiber werden regelrecht närrisch, bevor sie entbinden.« Sie beugte sich über Philippine. »Dann werdet Ihr jetzt wenigstens ein paar Löffel von meiner Hühnersuppe zu Euch nehmen, damit Ihr neue Kraft bekommt?«
»Nicht, bevor Žit sie probiert hat«, murmelte Philippine.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ein wenig Suppe in einen Napf zu gießen und diesen dem Teckel anzubieten. Im Nu war der Napf geleert. Danach legte sich der Hund neben die Tür und schlief.
»Wollt Ihr jetzt essen?«, fragte die Hebamme.
»Meinethalben«, sagte Philippine. »Aber was habt Ihr da gerade in den Tee getan?«
»Teckel trinken keinen Kräutertee«, erwiderte Katharina an ihrer Stelle. »Nicht einmal dein heiß geliebter Žit. Du bekommst eine uralte Medizin. Die hat schon so manches Kindlein sicher auf die Welt gebracht.«
Philippine schüttelte sich, nachdem sie getrunken hatte.
»Bitter«, sagte sie, während der Argwohn in ihren Augen erwachte. »Sehr bitter! Was genau ist da drin?«
»Das muss es sein, damit es wirken kann«, sagte Anna nach einer Weile. »Wolfszahn nennt man es. Manchmal auch Krähenkralle. Spürt Ihr schon etwas?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf, suchte nach einer günstigeren Position.
Irgendwann klammerte sie sich an den Strick, den Anna am Baldachin des Bettes befestigt hatte.
»Aber jetzt – ja! Eine große, große Welle … « Sie bäumte sich auf. »Ihr wollt doch nicht etwa, dass ich … « Sie begann zu schreien. »Es zerreißt mich!«
»So tu doch was!«, rief Katharina. »Hilf ihr!«
»Pressen!«, sagte die Wehmutter ungerührt. »Kopf auf die Brust und pressen!«
»Ihr habt ihr doch nicht etwa zu viel verpasst?«, fragte Katharina.
»Ich kenne die richtige Dosis. Vertraut mir!«
Wieder schrie Philippine auf.
»Ich kann den Kopf schon sehen!«, rief Katharina. »Du hast es gleich geschafft.«
*
Sie war so müde, als man ihr das Kind in den Arm legte, dass sie die Lider kaum offen halten konnte – und musste doch sehen und staunen, welches Wunder ihr da widerfahren war.
Inzwischen hatte die Hebamme seine Nabelschnur abgebunden. Um den kleinen Leib trug er eine Binde, die mit Olivenöl getränkt war. Nase, Augen und Ohren waren ebenfalls mit Öl gereinigt worden. Seine Haut, von Schmiere und Blut befreit, schimmerte rosig.
Der Flaum auf dem Köpfchen war goldblond. Riesengroße blaue Augen schauten sie fragend an.
»Er sieht aus wie sein Vater«, sagte Philippine.
»Unsinn, er ist exakt dein Abbild«, widersprach Katharina. »Er hat die Welsernase und die Welserohren, sieh doch nur – ein
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