Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
sogar schon einmal in einem seiner häufigen Wutanfälle mit den kleinen Fäusten fest gegen ihren Bauch geboxt.
»Andi mag nich«, so sein Lieblingsspruch, den er bei jeder nur denkbaren Gelegenheit von sich gab. »Andi halleine!«
Er klang jünger als seine zweieinviertel Jahre, was sicherlich daran lag, dass er Deutsch und Tschechisch bunt durcheinander quatschte, was zu sonderlichen Mixturen führte, über die alle sich amüsierten. Das waren seine größten Momente: im Mittelpunkt zu stehen, umringt von Bewunderern, die ihm applaudierten.
Manchmal krampfte Philippines Herz sich zusammen, wenn sie ihren Sohn dabei beobachtete, der noch nicht wissen konnte, dass er offiziell gar nicht existierte, ebenso wenig wie das Geschwisterchen, das sie unter dem Herzen trug. Eigentlich bereits ihr drittes Kind, zählte man die Frühgeburt im letzten Jahr dazu, die sie nach vier Monaten erlitten hatte.
Sie zwang sich, so wenig wie möglich daran zu denken.
Sie hatte nicht einmal wissen wollen, welches Geschlecht das Kind hatte und die Hebamme angewiesen, es in aller Stille unter die Erde zu bringen. Seitdem sie hier in Pürglitz lebten, gelang es ihr manchmal, den Schmerz darüber aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen, doch sobald das Ungeborene eine falsche Bewegung machte, oder ihr nach einem zu fetten Essen plötzlich speiübel wurde, wie es immer wieder geschah, war alles mit einem Schlag wieder zurück.
Dusana war ihr auch hierher nachgefolgt, das wusste sie inzwischen, selbst wenn der finstere Hofstallmeister, den Philippine noch immer mit ihr in Verbindung brachte, bislang kaum auf der Burg aufgetaucht war. Es mochten andere an seine Stelle getreten sein, so vermutete sie insgeheim, gesichtslose Ungeheuer, gegen die sie nichts auszurichten vermochte, weil sie sich feige vor ihr verbargen. Dusanas unheimliche Gesänge jedenfalls, die sie noch immer hörte, sobald es dunkel wurde, vereinigten sich mit dem Pfeifen des Winters, der durch die Wipfel fuhr, dem Heulen des Sturms, der im Winter um das alte Gemäuer brauste, dem Rauschen des Regens, der besonders im Frühling seine Schleusen öffnen konnte, als gäbe es kein Morgen mehr.
Dabei hatte Ferdinand alles getan, damit sie sich hier wohlfühlte. Die dicken Steinmauern verrieten, wie viele Jahrhunderte alt die Burg schon war, doch der Palast mit dem vierkantigen Wohnturm an der Nordwestseite, in dem Philippines Wohnräume lagen, war mit Himmelbett, Wandbehängen, Stühlen, Tischen, Truhen und allem, was man zum Leben brauchte, so prächtig und komfortabel ausgestattet, dass es ihr an nichts fehlte – außer an der Gegenwart ihres heimlichen Ehemanns.
Er mochte es nicht, wenn sie darüber klagte, und so tat sie es äußerst selten in seiner Gegenwart. Und da sie auch sonst kaum jemanden in der Nähe hatte, dem sie ganz und gar hätte vertrauen können, klagte sie so gut wie gar nicht mehr.
Innerlich jedoch war sie einsam. Obwohl sie so sehr darauf gedrängt hatte, Schloss Bresnitz zu verlassen, vermisste sie nun Katharina, die selten nach Pürglitz kam, und das auch nur, wenn Philippine sie ausdrücklich einlud. Immer wieder war sie nah daran, der Tante die wirklichen Gründe für ihren Entschluss zu verraten – und schreckte doch jedes Mal davor zurück.
Žit hatte auch hier keineswegs ausgedient, ganz im Gegenteil.
Manchmal hielt Philippine den Atem an, wenn er freudig nach ihrem ersten Bissen schnappte und ihn herunter schlang, doch bis jetzt erfreute der kleine Teckel sich allerbester Gesundheit.
»Die Herrschaften sind angekommen«, sagte Lenka. »Ich habe sie in den Speisesaal geführt. Dort können sie sich bei einem kleinen Imbiss erst einmal stärken.« Ihr Blick flog über das schmutzige Kleid, an dem Erde und Blütenstaub klebten. »Wollt Ihr Euch nicht besser umkleiden? Ich habe schon alles vorbereitet!«
Philippine nickte.
»Viel Auswahl gibt es ja ohnehin nicht mehr«, sagte sie. »Und in allem werde ich fett und hässlich aussehen. Also lass es uns so schnell wie möglich hinter uns bringen!«
War es ein Fehler gewesen, die Zofe mit in ihr neues Leben zu nehmen? Lenka war freundlich und still, zu freundlich, zu still, wie sie manchmal dachte.
Was verbarg sich hinter dieser glatten Oberfläche?
Seit jener unseligen Nacht mit den Pokalen war nichts mehr geschehen, was sie ihr hätte vorwerfen können – und doch kehrten diese Gedanken immer wieder.
Widerspruchslos ließ sie sich von Lenkas geschickten Händen aus dem beschmutzten Kleid
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