Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Fleischbrocken so seltsam grünlich?
Weil jemand sie mit Pulver bestäubt hatte, sagte eine unbarmherzige Stimme in ihr.
Jemand, der deinem Liebling schaden wollte.
Und damit auch dir.
»Veit?« Jetzt schrie sie. »Veit? Žit? Wo seid ihr? Veit? Žit, bei Fuß, alle beide!«
In wilder Panik stolperte sie durch die Räume – und wäre um ein Haar über das leblose Bündel gestürzt, das auf der Schwelle zu ihrem Schlafgemach lag.
Die Augen gebrochen, das Maul halb geöffnet.
Eine dünne grünliche Spur von Erbrochenem kringelte sich neben ihm.
»Veit!« Tränen liefen über ihre Wangen. »Mein lieber Kleiner. Was haben sie nur mit dir gemacht?«
Leblos lag er in ihren Armen, während sie stoßweise schluchzte.
Erst nach einer Weile spürte sie, wie ein warmer Tierkörper sich zärtlich an sie drückte.
Dann begann Žit, ihre Hand zu lecken.
Digitalis purpurea
auch genannt Fingerpiepen, Handschuhkraut, Potschen, Fingerhut des Teufels
Positive Wirkung: Klassisches Herzmittel, erhöht Pumpleistung des Herzmuskels, schwemmt Wasserstau aus. Abkochungen der Blätter fördern Wundheilung und helfen bei Depression.
Negative Wirkung: Eine der stärksten Giftpflanzen! Bei zu hoher Dosierung Übelkeit, Erbrechen, Blaufärbung der Lippen, Herzstillstand.
Kapitel XIII
ROTER FINGERHUT
Schloss Ambras, August 1572
»Sigismund ist tot. Jetzt soll ich König von Polen werden!«
Wie ein Geist stand Ferdinand mitten in der Nacht vor Philippines Bettstatt. Die brennende Kerze in seiner rechten Hand warf seltsame Schatten auf sein Gesicht.
»Wer ist tot?«, murmelte sie schlaftrunken. »Welcher König?«
Pini, die weiße Spitzhündin, die Eva ihr als Geschenk aufgedrängt hatte, um sie den Tod des kleinen Veit vergessen zu machen, erhob sich nur widerwillig vom Fußende. Als Vorkosterin taugte sie rein gar nichts, so heikel und rasch irritierbar, wie sie war. Und dennoch hatte sie es binnen Wochenfrist in Philippines Bett geschafft, während Žit nach wie vor mit dem Holzboden vorlieb nehmen musste.
Inzwischen schluckte Philippine regelmäßig die bittere Arznei des Leibarztes. Ferdinand hatte ihr für das braune Medizinfläschchen eine kostbare Hülle aus feinstem Schwazer Silber schmieden lassen, besetzt mit weinroten Karfunkelsteinen. Die meiste Zeit trug sie es bei sich und hielt es nachts sogar unter dem Kopfkissen bereit, falls eine Attacke sie überfallen sollte. Und dennoch jagte ihr Puls, sie musste husten, sobald sie sich anstrengte, und ihre einstmals makellosen Beine verunstalteten hässliche Ödeme. Manchmal war der Druck auf die Leber so stark, dass sie befürchtete, das empfindliche Organ könne im nächsten Augenblick platzen, doch Doktor Handsch hatte ihr versichert, dass diese Angst unbegründet war.
»Sigismund, mein Schwager. Der Witwer meiner Schwester Katharina. Loswerden wollte er sie noch zu Lebzeiten. Er hat sogar versucht, sie als verrückt erklären zu lassen – nur weil sie ihm keine Kinder geschenkt hat. Aber konnten das etwa seine anderen Frauen? Zwei meiner Schwestern hat dieser Unhold verschlissen! Ich weiß noch genau, wie ich ihm meine Schwester Elisabeth als Braut zugeführt habe. Wie jung und zart sie damals war, kaum 16 Jahre alt. Wie ein Opferlamm hab ich sie zur Schlachtbank geführt – in eine kalte Ehe, ohne eine Spur von Liebe oder wenigstens Mitgefühl.« Seine Stimme drohte zu kippen. »Kaum zwei Jahre später war sie tot. Wie gern hat sie früher gesungen! Als ich noch ganz klein war, konnte ich keine Nacht einschlafen, ohne Lisi gehört zu haben. Doch ihre helle Stimme ist seit Langem für immer verstummt.«
Philippine rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Ich verstehe, wie traurig dich das alles machen muss«, sagte sie. »Du hast deine Schwestern sehr geliebt … «
»Ja, das habe ich.« Seine Tränen begannen zu fließen. »Kathie und Lisi, beide waren sie schwach, nicht ansatzweise so stark wie du … « Er weinte heftig.
»Du musst nicht reden, wenn du nicht willst«, sagte sie sanft.
»Ich will aber!« Ferdinand klammerte sich an sie wie ein Kind, das den Donner fürchtet. »An der Fallsucht haben sie gelitten«, murmelte er. »Manche nennen es auch die Heilige Krankheit. Wissen diese Dummköpfe überhaupt, was sie da sagen? Was in aller Welt sollte schon heilig daran sein, wenn man plötzlich Schaum vor dem Mund bekommt, der Länge nach hinschlägt und alles unter sich lässt?«
Philippine umschlang ihn fester. Er schmiegte sich in ihre
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