Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
im Kolleg der Kardinäle zurechtfinden, die so viele Jahre älter als er waren? Noch fehlte ihm jegliche Weihe, ein Umstand, den einstweilig die schweren Silbertaler Ferdinands wettmachen mussten. Doch selbst, wenn Andreas einmal gesalbt wäre – sein Charakter entsprach nicht dem, was man von einem Diener Christi erwartete.
Sein früherer Eigensinn hatte sich in den letzten Jahren bis zum Jähzorn gesteigert. Ging etwas nicht nach seinem Kopf, konnte er rasch in Rage geraten und um sich schlagen – mit Worten ebenso wie mit Fäusten.
Das Letztere hatte sie am eigenen Leib gottlob noch nicht zu spüren bekommen, das Erstere sehr wohl.
»Mit eurer dummen Mesalliance habt ihr mir die ganze Zukunft verbaut«, so seine Anwürfe, die er vor allem an sie, seine Mutter, richtete. »Wärst du standesgemäß, so wäre ich der künftige Herrscher über Tirol. So aber liegt ein Makel über meiner Geburt. Und ich muss zusehen, wo ich bleibe. Der geistliche Weg ist beinahe der einzige, der mir offensteht, und dabei habt ihr mich in allem zu unterstützen. Zumindest das seid ihr mir schuldig!«
»Ich hab dir hier ein Büchlein mit Arzneien zusammengestellt. Falls du einmal krank werden solltest in der fremden Stadt … «
»Bleib mir gefälligst vom Leib mit deinen Hexenkräutern!« Andreas schlug es ihr aus der Hand. »Damit kannst du deine dumpfen Tiroler Bauern und Mägde kurieren, aber nicht mich. Mit einer anständigen Hochzeit zur rechten Zeit wäre mir besser gedient gewesen. Oder soll ich mich etwa noch in Rom Bankert schimpfen lassen?«
Das war es, was ihm zu schaffen machte!
Trotz all ihrer Vorsicht war er gehänselt worden – und schämte sich seiner Mutter, die nur eine Bürgerliche war.
Von Maximilian war nach wie vor keine Hilfe zu erwarten, deshalb hatten sie sich an Rom gewandt. Ihre Bittgesuche lagen noch immer beim Papst. Sie hatten sogar angeboten, die heimliche Hochzeit noch einmal zu wiederholen, doch das würde bedeuten, dass sie bis jetzt in wilder Ehe zusammengelebt hätten – und Andreas ein Bastard war, nicht anders als sein jüngerer Bruder Karl.
Gregor VIII. schien nicht abgeneigt, ließ sich jedoch alle Zeit der Welt.
Zeugen für die Bresnitzer Trauung verlangte er. Und schriftliche Bestätigungen über die Rechtmäßigkeit dieser Ehe.
Ferdinand und Philippine hatten Katharina von Loxan und Cavalieri benannt, den Priester, der ihren Bund damals gesegnet hatte. Beglaubigte Abschriften waren nach Rom gesandt worden.
Seitdem warteten sie.
Und warteten.
»Wirst du mir denn einmal schreiben?«, fragte Karl, dem der Abschied vom Bruder sehr nah zu gehen schien.
»Dazu hat man als Kardinal seine Secretarii«, sagte Andreas herablassend. »Fest zusagen werde ich dir lieber nicht. Sonst fängst du noch an zu heulen, wenn kein Brief kommt.«
Sie sah den Schmerz in Karls Augen und musste sich abwenden, um den eigenen zu verbergen.
Wo war das Kind geblieben, dessen rundliche Beinchen zu ungeschickt zum Laufen gewesen waren? Wo der kleine Bub, der sich in ihren Schoß geflüchtet hatte, als eine Biene ihn in den Arm gestochen hatte? Wo der Junge, der beim ersten Ausritt vor Begeisterung laut aufgeschrien und sich an die Mähne seines Pferdes geklammert hatte, um nicht herunterzufallen?
Irgendwann zwischen Böhmen und Tirol musste sie ihn verloren haben.
Oder war es erst später gewesen, hier auf Ambras, ihrem Schloss, das Andreas niemals richtig ins Herz schließen konnte, weil es ihm wie die steingewordene Schmach seiner fragwürdigen Herkunft erschien?
Sie hatte noch einen zweiten Sohn.
Während die Räder der schweren Karren durch das Tor rollten, auf ihrem langen Weg über die Alpen nach Süden, zog sie Karl zu sich heran.
Er ließ es geschehen, hielt eine Weile still.
Nach Schweiß roch er. Nach Jugend. Und Ungeduld.
Inzwischen waren sie nahezu gleich groß. Zum ersten Mal fiel ihr das auf. Nach dem Sommer würde sie zu ihm aufschauen müssen, was nichts anderes hieß, als dass sie ihn in absehbarer Zeit ebenso verlieren würde.
»Hast du Andi lieber als mich?«, sagte er leise.
»Wie kannst du so etwas fragen?« Sie schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! In meinem Herzen nehmt ihr beide den gleichen Rang ein.«
»Dann würdest du mir auch solche Wagen voller Damast und Silberzeug ausstatten, wenn ich einmal von dir fortgehe?«, fragte er weiter.
»Wenn du willst«, erwiderte sie. »Aber ich hoffe doch, du bleibst noch ein Weilchen bei mir.«
Karl senkte den Blick, fing an,
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