Die Schöne und der Leopard (German Edition)
noch flüsternd, dass sie nichts mehr verstehen konnte. Sue-Ann wusste durchaus, dass Millionen Männer von ihr träumten. Es war ihr nicht unangenehm.
Plötzlich hörte sie einen dumpfen Fall, dem ein zweiter folgte. Zugleich war die Luft von einer Spannung erfüllt, die sie glaubte mit Händen greifen zu können. Die Blondine im Negligé – bei der Hitze war jeder Faden am Körper zu viel – saß aufrecht und alarmiert.
Es lief ihr eiskalt über den Rücken, obwohl sie schwitzte. Wieder vernahm sie die Trommeln. Pomm – pommpomm. Pomm – pomm – pomm – pomm. Im Camp regte sich nichts. Der Chor nächtlicher Tierstimmen dauerte an.
Sue-Ann griff zu dem Walkie-Talkie, mit dem sie mit Ed Anderson und anderen Verbindung aufnehmen konnte, eine neuere Vorsichtsmaßnahme. Sie schaltete ein und gab das Rufsignal. Doch das Walkie-Talkie schwieg. Handelte es sich um eine technische Panne, oder war es sabotiert worden oder wurde durch Magie beeinflusst?
In ihrer Phantasie sah Sue-Ann Lomungés diabolische Fratze vor sich. Sie dachte intensiv an Tombé und den Leoparden, auf dem sie Norma Blake – oder ihre Fiktion – hatte reiten sehen. Der Filmstar wünschte sich dringend, jetzt nicht allein zu sein.
Sie hörte ein Flüstern: »Sue-Ann! Komm heraus, Sue-Ann. Ich warte auf dich.«
»Wer ist das?«, hauchte die Blondine. Im nächsten Moment schrie sie laut: »Wer spricht?«
»Komm, Sue-Ann. Dann siehst du es.«
Sue-Ann Baileys Herz hämmerte. Sie musste Gewissheit haben. Entschlossen legte sie das Walkie-Talkie weg und öffnete den Reißverschluss am Zelteingang, nachdem sie die Arretierung gelöst hatte. Entsetzt sah sie, dass die beiden Wachen neben ihrem Zelt im Schatten am Boden lagen.
Sie bewegten sich nicht. Ob sie tot sind, dachte die Schauspielerin?
Im Camp brannten zahlreiche Lichter, meist außerhalb der Zelte und paar Baracken. Wegen des Spuks in der letzten Nacht wollten die Mitglieder der Filmcrew möglichst viel Licht, um ihre Angst zu vertreiben.
Sue-Ann sah niemanden außer den reglosen Wachen. Der Vollmond stand wie eine große bleiche Scheibe über der schwarzen Wand der Urwaldbäume, aus der die Tierstimmen drangen. Die Schauspielerin spürte jedoch, dass sie nicht allein war.
Etwas – oder jemand – beobachtete sie, lauerte...
Sue-Ann ging zu den Wachen. Sie fühlte bei beiden den Puls. Gott sei Dank, er schlug.
Als sich die Schauspielerin von dem zweiten Bewusstlosen aufrichtete, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie drehte sich um – und erlitt einen Schock. Vor ihr stand nämlich, zum Greifen nah, der Leopardenmann. Seine Raubtieraugen funkelten sie an. Die Pranken bedrohten sie.
Der Rachen in dem Raubtierschädel auf den breiten und muskulösen Schultern öffnete sich. Ein Fauchen ertönte. Das Spiel der Muskeln unter der schwarzen Haut des athletischen Männerkörpers, dessen Unterleib ein enganliegender Lendenschurz aus Leopardenfell verhüllte, war deutlich zu erkennen.
Und die Trommeln ertönten.
Der Leopardenmann fauchte wieder.
Sue-Ann schrie.
Im nächsten Moment sprang der Leopardenmann vor. Mit stählernem Griff packte er die Schauspielerin und warf sie sich leicht wie eine Feder über die Schulter. Die Blondine schrie gellend. Vergeblich strampelte sie und schlug mit ihren Fäusten auf den Rücken des Leopardenmanns ein.
Mit langen Sprüngen raste Tombé dem Dschungel entgegen. Ed Anderson sah ihn, blieb stehen und riss das Gewehr an die Wange. Doch er konnte nicht schießen, ohne Sue-Ann zu gefährden. Der Regisseur stieß einen Schrei der Angst um seine Geliebte und der Enttäuschung aus.
Er verfolgte den Leopardenmann. Sue-Ann sah den Regisseur.
»Hilf mir doch, Ed!«, schrie sie und winkte verzweifelt.
Im nächsten Augenblick schlugen ihr Zweige vom Unterholz um die Ohren. Der Leopardenmann hatte den Dschungel erreicht, der ihn und sein Opfer wie ein dunkler, gieriger Rachen verschlang. Er trug Sue-Ann durch den Dschungel, ohne sein Tempo zu verlangsamen.
Die Rufe der im Camp Zurückbleibenden wurden leiser. Nach einer Weile konnte die Schauspielerin sie überhaupt nicht mehr hören. Im Camp gebärdete sich Ed Anderson wie ein Wahnsinniger. Er brüllte Befehle und bestand darauf, einen Suchtrupp zusammenzustellen, den er in den nächtlichen Dschungel führen wollte, um Sue-Ann zu suchen.
Bill Dallas redete gab sich alle Mühe, ihn von seiner Idee abzubringen.
»Das ist völlig sinnlos und zudem gefährlich, Ed. Im finsteren Dschungel findest du
Weitere Kostenlose Bücher