Die schoene und der Lord
konnte, die Miesmuscheln aus ihren Schalen zu lösen, die Angus ihr am Tag zuvor für die Brühe mitgebracht hatte.
Mary blickte sich beklommen in dem leeren Haus um. Wenn doch die Mädchen nur bald heimkehrten. Mairead war kurz nach dem Abschied des Herzogs zurückgekommen, ohne Catriona, und Mary hatte sie direkt zum Häuschen des Colonels geschickt, um nachzusehen, ob er mittlerweile zurück war; danach sollte sie Ian ausfindig machen, denn Mary vermutete, der Junge wüßte noch am ehesten, ob Angus sich irgendwo versteckt hielt. Mary wußte, daß ihr Mann nicht zu-rückkehren würde, solange noch die geringste Gefahr drohte, sich wenn nötig sogar wochenlang verborgen hielte, um den Schutz seiner Familie zu gewährleisten. Und dann auch noch die Sache mit Catriona. Wie sehr sie darum betete, daß der Gutsherr sie gefunden hatte und sie jetzt gerade heimbrachte. Mary dachte an den Besuch zurück, den er ihr an jenem Morgen abgestattet hatte. Der Herzog war ein guter Mensch. Sie wußte, er würde nie zulassen, daß dieser Teufel Sir Damon Catriona etwas zuleide tat. Und Mary war froh, dem Gutsherrn die Wahrheit über Catrionas Abkunft anvertraut und sich so gleichzeitig der Bürde entledigt zu haben, die dieses langgehütete Geheimnis ihr auferlegt hatte.
Nur noch eine weitere Person außer ihr kannte die Wahrheit: ihr Mann Angus. Sie erinnerte sich daran, wie sie Catriona in jener Nacht als winzigen Säugling mit heimgebracht hatte. Mary war damals gerade siebzehn, und sie war Angus zwar bereits versprochen, aber noch nicht mit ihm verheiratet. Ihre Eltern hatten die Neuigkeiten mit großer Sorge aufgenommen, obwohl sie natürlich wußten, daß sie nicht anders hatte handeln können, als das Kind anzunehmen. Angus warb nun schon seit geraumer Zeit um sie, wollte aber erst seinen eigenen Hof haben, bevor er sich verheiratete. Mary liebte Angus viel zu sehr, um von ihm zu erwarten, daß er anderer Leute Kind großzog. Also war sie in jener Nacht zu ihm gegangen, um ihm zu eröffnen, daß sie nicht seine Frau werden könne. Aber Mary sollte bald herausfinden, daß sie ihren Mann unterschätzt hatte.
Angus hatte sich geweigert, sie aus der Verlobung zu entlassen. Das Geblüt der MacBryans war tief in den alten Clanstraditionen verwurzelt, wozu auch der in früheren Generationen gepflegte Brauch gehörte, daß die Söhne mächtiger Clansoberhäupter als Mündel in den Familien geringerer Clansangehöriger aufwuchsen, um so eine Treue zum Clan als Ganzem und nicht bloß zu dessen Oberhaupt zu schmieden. Diesen
Glauben hielten die Schotten seit alters her in Ehren, die Einheit des Ganzen ging ihnen über die bloße Vasallentreue einem einzelnen gegenüber. Deswegen empfand Angus die Vorstellung, die Tochter von Sir Charles, dem Gutsherrn, den sie alle geliebt und geachtet hatten, an Kindes Statt anzunehmen, keineswegs als Belastung. Im Gegenteil, es war eine Ehre.
Mary starrte ins Feuer und sprach ein letztes stilles Gebet, daß ihrer Familie nichts zustoßen möge, bevor sie den Schürhaken wieder an seinen Platz am Kamin stellte. Dann ging sie zu dem kleinen Anbau hinter dem Haus, wo sich der große Holzbehälter für die Torfaufbewahrung befand, den Angus selbst gezimmert hatte. Sie beugte sich gerade darüber und entfernte die feuchten Erdklumpen, die über dem Torf ausgebreitet waren, als sie hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Sofort war ihr ein wenig leichter ums Herz; das erste ihrer Gebete war also in Erfüllung gegangen.
»Mairead?« rief sie, »bist du das? Gibt es Neues vom Colonel? Hast du Ian gefunden?« Rasch nahm sie den Torfkorb und eilte in Richtung Küche. »Ich habe nur gerade etwas Torf geholt, tür die ...«
Mary blieb wie angewurzelt im Eingang stehen und vergalt beim Anblick der Person, die ihr dort gegenüberstand, was sie hatte sagen wollen. Es war nicht Mairead, und auch nicht Angus. Mary starrte den Mann an, der auf sie wartete und dessen prächtige Kleidung in dem bescheidenen Bauernhaus so gänzlich fehl am Platze wirkte.
Er war älter geworden, aber die inzwischen vergangene Zeit hatte das teuflische Funkeln in seinen bösen Augen nicht im mindesten gemildert. Wie hatte sie darum gebetet, dieses Gesicht nie Wiedersehen zu müssen. Ihr stockte buchstäblich der Atem, als er lächelte, ein unheilvolles Grinsen, bei dem ihr vor Angst ein Schauer den Rücken herablief.
»Hallo, du schottisches Hexenweib. Hast du etwa geglaubt, ich würde dich für immer in Ruhe lassen?«
Mary
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