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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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Fenster fiel ihr Blick auf den hölzernen Schaukelstuhl des Colonels, von wo aus er Ausschau nach Besuchern hielt oder einfach nur ein Auge darauf hatte, wer des Weges kam. Nun war er verwaist, nur das Fußbänkchen, auf dem Catriona sonst immer saß, stand getreulich davor. Auf dem Tisch stand eine halb geleerte Whiskeyflasche. Alles befand sich an seinem gewohnten Platz, bis auf eine äußerst ungewöhnliche Einzelheit. Der rote jakobitische Uniformrock, den der Colonel niemals auszog, lag zusammengefaltet auf der hölzernen Vorratstruhe neben dem Stuhl. Catriona durchquerte langsam die Kammer und trat an das uralte Kastenbett des Colonels, das die gesamte Ecke ausfüllte. Das Bettzeug war ein wenig zerknittert, aber nicht ungemacht, so als hätte vor kurzem jemand darauf gesessen. Sie griff unter das Bettgestell, wo der Colonel sonst das Beutelchen aufbewahrte, in dem sich die Bilderkarte vom Schatz des Bonnie Prince Charlie befand. Ein Frösteln überlief sie, als sie feststellte, daß der Beutel ebenso verschwunden war wie der Colonel.
    Da drang von draußen ein Geräusch herein, ein Rascheln, das von irgendwo auf dem strohgedeckten Dach zu kommen schien. Catriona blies ihre Kerze aus und lauschte angestrengt in die Finsternis. Das Geräusch wiederholte sich, diesmal mehr aus der Nähe der Tür. Auf Zehenspitzen schlich sie hinüber und spähte hinaus.
    Blitzschnell flitzte etwas vorüber und hätte dabei fast Catrionas Gesicht gestreift. Vor Schreck schrie sie laut auf, bis sie im Zwielicht Matties leuchtend grüne Augen erkannte, die sie anstarrten.
    »Wegen dir bin ich fast zu Tode erschrocken«, sagte Catriona zu ihr und kraulte sie vor Erleichterung energisch hinter den Ohren. »Wo ist der Colonel, Mattie?«
    Mattie miaute einmal kläglich und begann aufgeregt hin und her zu tigern, was für dieses Geschöpf recht ungewöhnlich war, denn sonst geruhte sie Catriona kaum je wirklich wahrzunehmen. Mit eifrig nach vorne gerichteten Ohren musterte sie den Korb mit Napfschnecken, den Catriona an der Tür hatte stehen lassen, und miaute nochmals. Catriona blickte hinab auf das Blechnäpfchen draußen neben der Tür, in dem der Colonel Mattie sonst immer das Fressen hinstellte. Es war leer bis auf ein paar verirrte Blätter, die hineingeweht worden waren.
    Das arme Ding kam fast um vor Hunger.
    Catriona hob sie hoch. »Heute abend kannst du mit zu mir nach Hause kommen. Und morgen versuchen wir dann herauszufinden, wo der Colonel steckt.«
    Es war schon spät, als Catriona das Haus ihrer Familie erreichte, und die Baumwipfel in der Ferne waren bereits von blassem Mondlicht übergossen. Drinnen auf dem Tisch brannte eine einzige Kerze, aber ihr Licht genügte Catriona vollauf, um festzustellen, daß ihr Vater wieder heimgekehrt war. Die mitgenommene alte Reisetasche, in der er Kleidung und andere Notwendigkeiten verstaute, stand direkt vorne an der Tür. »Catriona.«
    Mary saß beim Feuer und stopfte gerade einen von Angus’ Strümpfen. Sie trug ihr neues Kleid aus dem herrlichen seegrünen Musselin, den Angus letztes Mal zusammen mit anderen Stoffen, die für Mairead und Catriona bestimmt waren, mitgebracht hatte, als er von der Küste heimgekehrt war. »Hallo, Mam«, sagte Catriona und setzte Mattie auf dem Stuhl ab. »Haben wir vielleicht Sahne im Haus?«
    Mary deutete mit einem Kopfnicken auf den Tisch neben sich, wo ihre Tasse und die Teekanne standen. Catriona nahm die Sahne und stellte sie auf den Boden, der hungrigen Katze direkt vor die Nase. Mattie machte sich so begeistert darüber her, daß ihr Gesicht dabei fast völlig in der kleinen Holzschale verschwand.
    »Weshalb hast du denn diese Kreatur mit hergebracht?« fragte Mary und musterte dabei prüfend die Reihe von Stichen, die sie soeben in Angus’ Strumpf gesetzt hatte.
    Catriona nahm sich einen Haferkuchen und knabberte nachdenklich daran herum. »Hast du den Colonel heute schon gesehen, Mam?«
    »Nein. Nicht mehr seit vorgestern, als Mairead mich zu ihm begleitet hat und wir ihm etwas zu essen brachten.« »Ich bin bei ihm vorbeigegangen, um ihm ein paar von den Napfschnecken dazulassen, die ich heute gesammelt habe, aber er ist nicht in seinem Häuschen, und es sieht so aus, als sei er schon länger nicht mehr dort. Der Kamin ist ganz kalt, und unter der Tür steckte sogar ein Brief für ihn.«
    Mary unterbrach ihre Näherei und schaute zu Catriona hinüber. »Nun mach dir mal keine Sorgen, Mädchen. Wahrscheinlich ist er nur ausgegangen, um

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