Die schoenen Hyaenen
farbigen Schauspieler, der sich seinen Lebensunterhalt als Pfleger in der Notfallambulanz verdiente, und sie sah viele Unfallopfer nach Verkehrsunfällen. Stundenlang las sie sich in der Bücherei des Cornell Medical Center durch medizinische Zeitschriften und konzentrierte sich dabei auf die Beiträge, die sich mit plastischer Chirurgie beschäftigten. Sie verglich die Namen der Mediziner, die diese Beiträge geschrieben hatten, mit dem Register, in dem Ausbildung und Verdienste der Ärzte aufgeführt waren.
So reduzierte sie die Anzahl der in Frage kommenden Ärzte auf vier: Robert Ducker aus Miami, der Dutzende innovativer Techniken bei seiner Tätigkeit auf Haiti und in der Dominikanischen Republik an mittellosen Patienten entwickelt hatte, weil die Armen es sich nicht leisten konnten, im Fall von Misserfolgen zu klagen. William Reed praktizierte in L.A. und galt als bester Nasenfachmann. John Collins war ein Modearzt in der Park Avenue. Und dann gab es noch Brewster Moore, Chefarzt für Plastische Chirurgie im Cosmopolitan Hospital von New York. Moore hatte als Armeearzt Veteranen aus dem Vietnamkrieg behandelt und bekleidete den Chefarztposten seit nahezu zwölf Jahren. Er war der einzige ohne eine größere Privatpraxis. In Medizinerkreisen galt er als »Arzt der Ärzte«, weil er die Fehler korrigierte, die anderen Ärzten auf diesem Gebiet unterliefen.
Mary Jane lag in ihrem Bett, das ihr viel zu groß erschien, seit Sam es nicht mehr mit ihr teilte, und starrte an die Decke. Midnight machte es sich auf ihrem Bauch bequem. Er schnurrte zufrieden. Sie streichelte ihn geistesabwesend.
Ist es möglich, die unattraktive Mary Jane abzustreifen und als Schönheit aufzutreten? Kann ich mich mit meinen vierunddreißig Jahren noch unter die Frauen einreihen, denen die Männer nachblicken? Werde ich es je fertigbringen, durch mein Äußeres Unruhe in einem Raum voller Menschen auszulösen?
Wie fühlt man sich, wenn man nicht ständig versucht, die eigene unbefriedigende Erscheinung durch etwas anderes zu kompensieren? Mary Jane dachte an ihre formlosen Wangen, die große Nase, das fliehende Kinn. Nur einmal wollte sie einem Intendanten vorgestellt werden, der bei ihrem Anblick nicht erst einmal zurückwich. Mary Janes Phantasie steigerte sich. Sie sah sich als jugendliche Naive auf der Bühne, die von den Männern umworben wurde. Wie fühlte man sich, wenn man nicht mehr übersehen sondern von den Männern mit Blicken ausgezogen wurde?
Wieviel Kunst und wissenschaftliches Know-how gehören dazu, aus einer formlosen Masse ein klassisches Profil zu modellieren, die hängenden Brüste zu heben, die massigen Oberschenkel auszudünnen, den prallen Bauch in einen flachen umzuwandeln, überhaupt alles an ihr so zu verändern, daß es dem entspricht, was ein Mann unter Schönheit versteht? Und wieviel kostet das? Wie lang dauert es? Mit welchen Schmerzen ist das verbunden?
Die Ausbildung zur Krankenschwester hatte Mary Jane genügend grundsätzliches Wissen über die Operationen vermittelt, die bei ihr erforderlich sein würden. Es fragte sich indessen, ob es einen Chirurgen gab, der all das gewillt war, an ihr vorzunehmen. Es durfte auch nicht ein x-beliebiger Schönheitschirurg sein, sie brauchte einen Künstler, der sich nicht scheute, monatelang an seinem Werk zu arbeiten, der Mary Jane ernstnahm und sich bereiterklärte, eine solche Neukonstruktion eines Menschen vorzunehmen, obwohl dieser weder durch Verbrennungen noch Krankheit oder Unfall entstellt war, sondern nur schön sein wollte.
Mary Jane konnte sich gut vorstellen, daß ein Arzt sie für leichtfertig oder geistesgestört halten würde. Leichtfertig war sie gewiß nicht. Daß sie verrückt war, konnte sie allerdings nicht ausschließen. Es gab aber keine andere Möglichkeit, ihr Lebensschiff in eine bessere Zukunft zu lenken? Das Geld der Großmutter reichte nicht für einschneidende oder bleibende Verbesserungen. Die aber mußten erfolgen. Denn so konnte Mary Jane nicht weiterleben.
Da sie in New York wohnte, beschloß sie, zunächst bei Collins und Dr. Moore Besprechungstermine zu vereinbaren. Mit Mühe nur erhielt sie einen Termin bei Dr. Collins. Sie hatte den Namen eines ihr bekannten Krankenhauschefs angegeben, damit Collins sich überhaupt herabließ, sie zu empfangen.
Dr. Collins' Praxis befand sich in einem pompösen Gebäude auf der Park Avenue im vierundsechzigsten Stock. Den Eingang schmückten schwarze und weiße im Schachbrettmuster
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