Die Schönen und Verdammten
Fall keinerlei Auswirkungen. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen Beratung und Beeinflussung. Sie müssten beweisen, dass der Sekretär böse Absichten verfolgte. Ich würde eine andere Begründung vorschlagen. Die gerichtliche Bestätigung wird einem Testament automatisch versagt im Falle von Geisteskrankheit, Trunkenheit« – hier musste Anthony lächeln – »oder Schwachsinn aufgrund vorzeitiger Verkalkung.«
»Aber sein Hausarzt«, wandte Anthony ein, »einer der Erbfolger, würde bezeugen, dass er gar nicht schwachsinnig war. Und er war es ja auch nicht. Ja, wahrscheinlich hat er mit seinem Geld genau das angestellt, was er vorhatte – es stimmt vollkommen überein mit allem, was er je in seinem Leben getan hat…«
»Schauen Sie, mit dem Schwachsinn ist es ganz ähnlich wie mit unzulässiger Beeinflussung – das bedeutet, dass über das Vermögen anders als ursprünglich beabsichtigt verfügt [384] wurde. Der häufigste Fall ist Einschüchterung – körperliche Bedrängnis.«
Anthony schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, da besteht keine Chance. Das Beste scheint mir ›unzulässige Beeinflussung‹ zu sein.«
Nach weiteren Erörterungen, so fachspezifisch, dass sie Anthony weitgehend unverständlich waren, verpflichtete er Mr. Haight als seinen Rechtsbeistand. Der Anwalt schlug eine Unterredung mit Shuttleworth vor, der gemeinsam mit Wilson, Hiemer & Hardy als Testamentsvollstrecker fungierte. Anthony sollte im Lauf der Woche wiederkommen.
Es wurde bekannt, dass sich der Nachlass auf annähernd vierzig Millionen Dollar belief. Das größte Legat an eine Einzelperson war eine Million für Edward Shuttleworth, der zusätzlich ein Jahresgehalt von dreißigtausend Dollar als Verwalter des dreißig Millionen umfassenden Treuhandfonds bezog. Letzteren sollte er praktisch nach eigenem Ermessen unter verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen und Reformgesellschaften verteilen. Die verbleibenden neun Millionen wurden den beiden Vettern in Idaho und etwa fünfundzwanzig weiteren Nutznießern zugesprochen: Freunden, Sekretären, Dienern und Angestellten, die sich irgendwann einmal Adam Patchs Siegel der Anerkennung verdient hatten.
Nach Ablauf zweier weiterer Wochen hatte Mr. Haight gegen einen Honorarvorschuss von fünfzehntausend Dollar mit den Vorbereitungen zur Anfechtung des Testaments begonnen.
[385] Der Winter ihres Missvergnügens
Sie hatten nicht einmal zwei Monate in dem kleinen Apartment in der 57. Straße gewohnt, da hatte es für sie bereits denselben undefinierbaren, aber fast körperlichen Makel angenommen, mit dem das graue Haus in Marietta behaftet gewesen war. Dauernd stand Tabakdunst in der Luft – beide rauchten sie unablässig; er hing in ihren Kleidern, ihren Decken, den Vorhängen und den mit Asche übersäten Teppichen. Hinzu kam ein abscheulicher Geruch nach abgestandenem Wein mit der dazugehörigen Note schal gewordener Schönheit und der ekelerregenden Erinnerung an irgendwelche Orgien. Die Ausdunstung war besonders penetrant um ein Service von Stielgläsern auf der Anrichte, und da, wo die Gläser abgesetzt worden waren, verunzierten weiße Ringe den Mahagonitisch im Wohnzimmer. Es hatten viele Partys stattgefunden – die Leute zerbrachen Geschirr; die Leute übergaben sich in Glorias Badezimmer; sie verschütteten Wein und richteten in der Kochnische ein heilloses Durcheinander an.
Dergleichen war in ihrem Leben ein regelmäßiges Vorkommnis. Trotz der guten Vorsätze, die sie an so vielen Montagvormittagen fassten, herrschte zwischen ihnen stillschweigendes Einverständnis, dass das heranrückende Wochenende mit unchristlichen Ausschweifungen begangen werden musste. Am Samstag besprachen sie die Sache nicht weiter, sondern riefen aus ihrem Kreis hinreichend verantwortungsloser Freunde diese oder jene Person an und schlugen ein geselliges Beisammensein vor. Erst wenn sich die Freunde eingefunden hatten und Anthony ihnen die [386] Karaffen hinstellte, murmelte er nebenhin: »Ich glaube, einen Highball könnte ich ruhig vertragen…«
Dann ging es zwei Tage hoch her – und im winterlichen Morgengrauen merkten sie, dass sie die lärmigsten und auffallendsten Mitglieder der lärmigsten und auffallendsten Gruppe im Boul’ Mich’ gewesen waren, im Club Ramée oder an anderen Orten, wo man es mit der Ausgelassenheit der Klientel nicht so genau nahm. Dann stellten sie fest, dass sie achtzig oder neunzig Dollar verprasst hatten – wie, das wussten sie nicht; gewöhnlich
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