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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Methusalem, den du mir da angeschleppt hast, Caramel?«
    Sie überhörte die Bemerkung, verübelte sie vielleicht sogar, denn sie kam wieder auf das Hauptthema zurück.
    »Was haben Sie denn nun über mich gehört?«
    »Etwas über Ihr Aussehen.«
    »Oh«, sagte sie, kühl enttäuscht, »ist das alles?«
    »Über Ihre Bräune.«
    »Meine Bräune?« Sie war verdutzt. Sie hob die Hand zum Hals und ließ sie einen Augenblick dort ruhen, als ertaste sie mit den Fingern verschiedene Farbabstufungen.
    »Erinnern Sie sich noch an Maury Noble? Jemand, den [86] Sie vor etwa einem Monat kennengelernt haben. Sie haben großen Eindruck auf ihn gemacht.«
    Sie überlegte einen Moment.
    »Ich erinnere mich – aber angerufen hat er mich nicht.«
    »Bestimmt hat er sich nicht getraut.«
    Inzwischen war es draußen pechfinster, und Anthony wunderte sich, wieso ihm sein Apartment jemals grau vorgekommen war – so warm und freundlich wirkten die Bücher und die Bilder an den Wänden. Der gute Bounds, aus einem ehrerbietigen Dunkel hervortretend, kredenzte Tee, und aus den drei liebenswürdigen Menschen erklang Woge um Woge teilnahmsvollen Gelächters über das fröhlich knisternde Feuer hinweg.
    Unzufriedenheit
    Am Donnerstagnachmittag nahmen Gloria und Anthony in der Grillstube des Plaza zusammen ihren Tee ein. Sie trug ein pelzbesetztes graues Kostüm – »weil man zu Grau einfach viel Rouge tragen muss« –, und auf ihrem Kopf saß keck eine Toque, unter der in unbekümmerter Pracht Wellen goldenen Haars hervorquollen. In hellerem Licht wollte es Anthony vorkommen, als sei ihre Persönlichkeit unendlich viel weicher – sie schien so jung, kaum achtzehn. Unter dem enganliegenden Futteral, damals Humpelrock genannt, wirkte ihre Figur erstaunlich schlank und geschmeidig, und ihre Hände, weder die einer Künstlerin noch dick, waren schmal wie Kinderhände.
    Als sie eintraten, spielte das Orchester gerade die [87] einleitenden Klagelaute zu einer Maxixe, einer eingängigen Melodie mit Kastagnettengeklapper und leicht schwülen Geigenklängen, die zu einer überfüllten winterlichen Grillstube passten, in der es von aufgeregten Studenten wimmelte. Der bevorstehenden Ferien wegen war man in gehobener Stimmung. Gloria wägte sorgfältig mehrere Sitzplätze ab und führte Anthony zu seinem Verdruss auf Umwegen an einen Tisch für zwei Personen am hinteren Ende des Saals. Als sie dort ankamen, überlegte sie erneut. Sollte sie zur Rechten oder zur Linken sitzen? Ihre schönen Augen und Lippen waren sehr ernst, als sie ihre Wahl traf, und wieder musste Anthony denken, wie naiv jede ihrer Gebärden war; sie tat so, als könne sie alle Dinge im Leben auswählen und zuweisen, als suche sie auf einem nie versiegenden Ladentisch unaufhörlich Geschenke für sich aus.
    Geistesabwesend sah sie einige Augenblicke lang auf die Tänzer, und als ein Paar auf sie zugewirbelt kam, warf sie eine halblaute Bemerkung hin.
    »Da ist ein hübsches Mädchen in Blau…« – und als Anthony folgsam hinschaute – »da! Nein, hinter Ihnen – da!«
    »Ja«, stimmte er ihr ratlos zu.
    »Sie haben sie ja gar nicht gesehen.«
    »Ich schaue lieber Sie an.«
    »Ich weiß, aber sie war hübsch. Allerdings hatte sie zu dicke Fesseln.«
    »Ach ja? – Ich meine, wirklich?«, sagte er gleichgültig.
    Von einem Paar, das in ihrer Nähe tanzte, flog der Gruß eines Mädchens herüber.
    »Hallo, Gloria! O Gloria!«
    »Hallo auch.«
    [88] »Wer ist das?«, wollte er wissen.
    »Ich weiß nicht. Irgendjemand.« Sie erblickte ein anderes Gesicht. »Hallo, Muriel!« Dann zu Anthony: »Das ist Muriel Kane. Die ist nun wirklich attraktiv, wenn auch nicht sehr.«
    Anthony gluckste anerkennend. »Attraktiv, wenn auch nicht sehr«, wiederholte er.
    Sie lächelte – war sofort interessiert.
    »Warum ist das lustig?« Ihr Tonfall war übertrieben gespannt.
    »Darum.«
    »Möchten Sie tanzen?«
    »Sie denn?«
    »Hm. Aber bleiben wir lieber sitzen«, beschloss sie.
    »Und sprechen von Ihnen? Sie sprechen gern von sich, nicht wahr?«
    »Ja.« Sie fühlte sich in ihrer Eitelkeit ertappt und lachte.
    »Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Autobiographie ein Klassiker würde.«
    »Dick sagt, ich hätte keine.«
    »Dick!«, rief er aus. »Was weiß denn der über Sie?«
    »Nichts. Aber er sagt, die Biographie jeder Frau beginnt mit dem ersten Kuss, der zählt, und endet, wenn man ihr das letzte Kind in die Arme drückt.«
    »Das hat er aus seinem Buch.«
    »Er sagt, ungeliebte Frauen haben

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