Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
zugleich so unmöglich erschienen.
    »Ich natürlich auch nicht«, gestand er kleinlaut, »aber…«
    »Ich denke bei Leuten nur daran, ob sie dort, wo sie sind, [92] am rechten Fleck sind und ins Bild passen«, fuhr sie fort. »Es ist mir einerlei, ob sie irgendetwas tun. Ich sehe nicht ein, weshalb sie etwas tun sollten; ja es erstaunt mich immer, wenn überhaupt irgendjemand irgendetwas tut.«
    »Sie möchten also nichts tun?«
    »Ich möchte schlafen.«
    Eine Sekunde lang war er erschrocken, als habe sie das wortwörtlich gemeint.
    »Schlafen?«
    »Na ja. Ich möchte einfach auf der faulen Haut liegen, ich will, dass einige Leute um mich herum sich mit etwas beschäftigen, weil ich mich dann wohlig und geborgen fühle – und ich will, dass einige gar nichts tun, weil sie dann anmutig und der richtige Umgang für mich sind. Aber Leute ändern oder mich ihretwegen ereifern, das will ich nie.«
    »Sie sind mir eine putzige kleine Deterministin«, sagte Anthony lachend. »Die Welt liegt Ihnen zu Füßen, nicht wahr?«
    »Nun ja«, sagte sie mit einem raschen Augenaufschlag, »warum auch nicht? Solange ich – jung bin.«
    Vor dem Wort »jung« hatte sie leicht gezögert, und Anthony hatte den Verdacht, dass sie eigentlich hatte sagen wollen: »schön«. Unbestreitbar hatte es ihr auf der Zunge gelegen.
    Ihre Augen leuchteten auf, und er nahm an, dass sie Weiteres zum Thema beitragen würde. Jedenfalls hatte er sie aus ihrem Schneckenhaus gelockt – er beugte sich leicht vor, um ihre Worte aufzufangen.
    Doch »Tanzen wir!«, war alles, was sie sagte.
    [93] Bewunderung
    Dieser Winternachmittag im Plaza war das erste von mehreren Rendezvous, die Anthony in den trüben und anregenden Tagen vor Weihnachten mit ihr hatte. Sie hatte immer zu tun. Es dauerte lange, bis er herausfand, welchen Schichten der New Yorker Gesellschaft ihre Aufmerksamkeit gehörte. Sie achtete derlei kaum. Sie frequentierte die halböffentlichen Wohltätigkeitsbälle in den großen Hotels; einige Male sah er sie auf Dinnerpartys im Sherry’s, und als er einmal darauf wartete, dass sie sich umkleidete, rasselte Mrs. Gilbert apropos der Gewohnheit ihrer Tochter, »auf Achse zu sein«, ein erstaunliches Feiertagsprogramm herunter, das ein halbes Dutzend Bälle einschloss, zu denen auch Anthony Einladungen erhalten hatte.
    Mehrere Male verabredete er sich mit ihr zum Mittagessen und zum Tee – Ersteres erfolgte immer übereilt und war, zumindest in seinen Augen, eine ziemlich unbefriedigende Angelegenheit, denn sie war tranig und gleichgültig, unfähig, sich auf irgendetwas zu konzentrieren oder seinen Bemerkungen ihre volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Als er ihr nach zweien dieser trostlosen Mahlzeiten vorhielt, dass sie ihm nur Haut und Knochen des Tages überlasse, lachte sie und beglückte ihn mit einer Teestunde in drei Tagen. Das war schon sehr viel befriedigender.
    Eines Sonntagabends kurz vor Weihnachten besuchte er sie und traf sie nach einem wichtigen, ihm aber unerklärlichen Streit an – in der Ruhe nach dem Sturm. In halb erzürntem, halb belustigtem Tonfall gab sie an, einen Mann aus ihrem Apartment hinausgeworfen zu haben – an dieser [94] Stelle erging sich Anthony in wilden Spekulationen –, der Mann habe am Abend ein kleines Essen für sie geben wollen, aber natürlich werde sie nicht gehen. So durfte Anthony sie zu einem späten Imbiss begleiten.
    »Lassen Sie uns irgendwohin gehen!«, schlug sie vor, als sie im Fahrstuhl hinunterfuhren. »Ich möchte eine Show sehen, Sie nicht auch?«
    Als sie sich an der Kartenverkaufsstelle des Hotels erkundigten, stellte sich heraus, dass es nur zwei ›Sonntagskonzerte‹ gab.
    »Die sind immer das Gleiche«, beklagte sie sich unglücklich, »immer dieselben ollen jiddischen Komödianten. Ach, lassen Sie uns doch irgendwohin gehen!«
    Um seinen schuldbewussten Verdacht zu maskieren, er hätte irgendeine Veranstaltung arrangieren sollen, die ihre Billigung fände, trug Anthony eine kennerhafte Unternehmungslust zur Schau.
    »Wir gehen in ein gutes Cabaret.«
    »Alle, die in der Stadt laufen, habe ich schon gesehen.«
    »Dann tun wir eben ein neues auf.«
    Sie war miserabler Laune – so viel stand fest. Ihre grauen Augen waren jetzt wirklich aus Granit. Wenn sie nicht sprach, starrte sie im Foyer stur vor sich hin, wie auf ein abstoßendes abstraktes Gemälde.
    »Na schön, kommen Sie.«
    Er folgte ihr – die noch in ihren Pelzmantel gehüllt ein graziöses Mädchen war – hinaus zu

Weitere Kostenlose Bücher