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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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ihres Sohnes, die vom Sportplatz heimkommen, und draußen vor den Fenstern matt glänzend der erste Schnee.
    Das ist der Vorrat, von dem sie zehrt, die immer wieder beschworenen Bilder vergangenen Glücks. Wie lange kann man davon leben? Lange, sehr lange, wenn man die Hoffnung nicht verliert, dass, was einst möglich war, vielleicht irgendwann wieder möglich sein wird. Vielleicht auch dann noch, wenn es diese Hoffnung nicht mehr gibt. Es sind Stunden wehmütigen Glücks, die Frau Markmann hier in der leeren Helle der Büros zubringt. Wenn Herr Wessels es ahnte, er würde ihr womöglich in Zukunft ein paar Euro weniger in den Umschlag stecken.

11
    DAS GANZE HAUS RIECHT nach frischer Farbe. Der Vater hat in der Küche Bratkartoffeln und Spiegeleier bereitet. Jetzt sitzen sie vor dem Fernseher im Wohnzimmer, Vater und Sohn, essen, trinken Bier und schauen dem Fußballspiel zu. Willst du auch ein Bier, hat der Vater gefragt, und Robert hat zu seiner eigenen Überraschung, vielleicht auch zu der des Vaters, ja gesagt. Jetzt hat der Vater schon die dritte Flasche getrunken und Robert macht sich gerade die zweite auf, und das Spiel ist so schlecht wie immer in letzter Zeit, wenn die Nationalmannschaft antritt, so schlecht, dass der Vater vor Verzweiflung immer tiefer in den Sessel rutscht und am Ende nur noch höhnisch lacht.
    Hast du das gesehen? Die wissen doch gar nicht, wie das geht. Warum sagt dem denn keiner, dass er mit dem Fuß gegen den Ball treten muss?
    Den ganzen Nachmittag hat der Vater die Veranda gestrichen, und Robert hat ihm dabei geholfen, als er um Viertel nach fünf von Frau Sternheim heimkam. Schweigend hat er den zweiten Pinsel genommen und begonnen, die Außenseite der Balustrade weiß anzustreichen, während der Vater, mit einem Hut auf dem Kopf auf dem Tisch stehend, die Holzverkleidung der Decke lackierte. Irgendwann waren sie fertig, und als sie ihre Overalls auszogen und in den Korb neben die Waschmaschine legten, sagte der Vater: Ich mach für uns Bratkartoffeln mit Spiegelei. Und dann schauen wir uns das Fußballspiel an.
    Als die Mutter kommt, ist das Spiel gerade aus und der Bundestrainer versucht im Interview zu erklären, warum es trotz allem ein gutes Spiel war.
    Willst du den Scheiß hören, fragt der Vater. Als Robert den Kopf schüttelt, schaltet er den Fernseher aus. Frau Markmann hängt den Mantel in der Flurgarderobe auf einen Bügel und lässt sich in einen Sessel fallen. Puh, sagt sie. Jetzt brauch ich auch erst mal ein Glas Bier.
    Während Robert ein Glas holt und ihr einschenkt, lässt sie den Blick über den Tisch streifen: die geleerten Bierflaschen, die abgegessenen Teller, die große Ketchup-Flasche.
    Wie war das Spiel, fragt sie.
    Beschissen wie immer, sagt der Vater, aber besonders traurig scheint er darüber nicht zu sein, und Robert sagt: Wenn sie in der neunundachtzigsten Minute nicht einen Elfmeter geschenkt bekommen hätten, hätten sie schon wieder verloren.
    Frau Markmann ist glücklich, müde und glücklich. Am liebsten würde sie ihre beiden Männer in die Arme schließen, so glücklich ist sie, sie hier nebeneinandersitzen zu sehen und zu hören, wie sie sich gegenseitig bestätigen, ein miserables Fußballspiel gesehen zu haben. Aber sie weiß, dass sie vorsichtig sein muss, damit sie das spröde Glück nicht gefährdet. Darum nimmt sie nur einen Schluck aus ihrem Glas, schließt die Augen, überlässt sich für einen Augenblick der wohligen Erschöpfung.
    Und die Veranda?, fragt sie dann.
    Fertig, sagt Robert.
    Müssen morgen nur noch die Sachen wieder hinräumen, sagt der Vater.
    Sie sitzen eine Weile schweigend da. Dann steht der Vater ächzend auf, geht in die Küche, kommt mit einem Tablett zurück und stellt die Teller und die Bierflaschen darauf.
    Ach, lass doch, sagt die Mutter. Wir sitzen doch grad so schön.
    Aber das hält der Vater nicht aus, einfach so dazusitzen und nichts zu tun, nicht einmal fernzusehen. Während er das Tablett in die Küche trägt, öffnet Edith ihre Handtasche und nimmt den Umschlag heraus, den ihr Herr Wessels gegeben hat: fünfunddreißig Euro. Sie betrachtet das Geld eine Weile, steckt dann fünfzehn Euro in ihr Portemonnaie, hält die restlichen zwanzig in der Hand, zögert, steht schließlich auf und geht zur Kommode hinüber. Aus der obersten Schublade holt sie eine kleine, abschließbare, schwarze Kassette hervor, öffnet sie und will gerade das Geld hineinlegen, als ihr Mann aus der Küche zurückkommt.
    Was machst du

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