Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
Vom Netzwerk:
denn mit dem Geld, fragt er.
    Sie dreht sich um, schmunzelt, arglos ist sie und ein wenig aufgekratzt: Die zwanzig Euro kommen in meine Urlaubskasse.
    Deine Urlaubskasse? Du hast jetzt also auch schon eine eigene Urlaubskasse.
    Erst jetzt bemerkt sie die Gefahr, spürt auf einmal erschrocken, was sie eigentlich aus Erfahrung weiß, dass das trügerische Bild der Harmonie jederzeit zerspringen kann.
    Sie: Das hab ich doch nur so gesagt. Natürlich ist das für uns alle. Für unseren Urlaub.
    Er: Ich brauche keinen Urlaub. Ich hab jeden Tag Urlaub.
    Ein Ton wie splitterndes Holz. Robert kennt den Ton, er weiß, was es bedeutet, wenn in der Stimme des Vaters plötzlich dieses Knistern zu hören ist. Er sitzt da, gespannt, leicht nach vorn gebeugt, auf der vorderen Kante des Sessels sitzt er, als wolle er im nächsten Augenblick aufspringen und davonlaufen.
    Du arbeitest doch den ganzen Tag, sagt die Mutter. Du musst mal raus, mal ausspannen, mal was anderes sehen. Warum fahren wir nicht mal wieder nach Italien wie früher? Alle drei.
    Und die neue Heizung? Wenn der Winter kommt, brauchen wir eine neue Heizung. Wovon, bitte schön, willst du die bezahlen?
    Das ist das Schlimmste, dass es keinerlei Sicherheit gibt, dass es jederzeit losbrechen kann. Eben noch waren sie, wortlos fast, vereint, Vater und Sohn. Vielleicht hätten sie den Fernseher anlassen sollen, vielleicht hätten sie einfach dasitzen und sich über den Bundestrainer ärgern sollen, dann wäre die Mutter nicht auf den Urlaub zu sprechen gekommen und der Vater hätte nicht schon wieder mit der Heizung angefangen und wie sie die bezahlen sollen. Aber jetzt wird die Mutter sagen, dass es die alte Heizung auch noch tue und dass sie auch einmal Urlaub machen möchte wie alle anderen, dass er den Urlaub am dringendsten brauche, weil er ja zu Haus nicht ausspannen könne, weil er tagein, tagaus im Haus und im Garten arbeite. Sie wird sagen, dass er nicht immer so schwarzsehen solle, dass sie das mit der Heizung schon irgendwie hinbekommen werden, und er wird sagen: Irgendwie! Du sagst immer nur: irgendwie! Aber wie es gehen soll, das sagst du nicht.
    Das mit der Heizung, sagt sie, das kriegen wir schon irgendwie hin.
    Irgendwie! Irgendwie! Schnaufend geht der Vater im Wohnzimmer auf und ab. Wie denn, bitte schön? Weißt du überhaupt, was so eine neue Heizung kostet?
    Hast du dir darüber überhaupt schon mal Gedanken gemacht?
    Ich geh noch mal kurz ins Schock , sagt Robert und ist schon an der Wohnzimmertür.
    Robert, ruft die Mutter ihm nach. Er hört ihrer Stimme die Verzweiflung an, die Verzweiflung darüber, dass das kurze Glück schon wieder vorbei ist. Bleib nicht so lang, Robert!
    Aber er kann ihr nicht helfen, will es nicht. Er hasst sie dafür, dass sie wieder mit dem Urlaub angefangen hat, dass sie ihm ein schlechtes Gewissen macht, wenn er jetzt geht, er hasst sie für ihre Hilflosigkeit, für den flehenden Blick, für den Klang ihrer versagenden Stimme.
    Ich bin in einer Stunde wieder da, sagt er und geht hinaus.

12
    IM SCHOCK DRÖHNEND LAUTE Reggaemusik, die Luft ist zum Schneiden. An der hinteren Ecke der Theke stehen Andy und Tom.
    Hi, sagt Robert.
    Tom hebt zum Gruß die Hand, Andy schaut kurz auf, schlägt die Augen gleich wieder nieder und starrt in sein Bier.
    Was is ’n los?, fragt Robert.
    An Andys Stelle antwortet Tom: Stress mit Marita.
    I wanna k – i – s – s kiss you, because I l – o – v – e love you … Der Lautsprecher ist direkt über ihren Köpfen an der Wand angebracht, wie ein dichter, pulsierender Nebel senkt sich die Musik auf sie herab, hüllt sie ein, macht sie unsichtbar, unsichtbar und unverwundbar. No matter what they do, no matter what they say … Um sie herum Gedränge, Stimmen, Gesichter, weiter hinten auf der Tanzfläche flackernde Lichtblitze und zuckende Schatten.
    Willst du ’n Bier? Ich geb dir ’n Bier aus, sagt Andy.
    Seine brüchige Stimme, sein wehmütiges Lächeln. Das ist ein anderer Andy heute. Weicher, irgendwie schutzbedürftig.
    Klar, sagt Robert, und für einen Moment denkt er, dass es vielleicht richtig wäre, den Arm um Andys Schultern zu legen.
    Momo steht hinter der Theke. Er hat Rastalocken und trägt ein olivfarbenes T-Shirt. Momo ist aus Recklinghausen, sieht aber aus, als käme er direkt aus der Karibik. Er schiebt drei Biere über die Theke, grinst, Andy hebt sein Glas, sie trinken, wischen sich mit der Linken den Schaum vom Mund. Und auf einmal dieses Glücksgefühl. Robert weiß

Weitere Kostenlose Bücher