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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Jordan
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drei Uhr morgens, und ich kann nicht schlafen. Ich habe still gelegen auf dem Rücken und auf dem Bauch, habe mich herumgewälzt, und je weniger Stunden bis zum Morgen bleiben, desto unruhiger werde ich. Als ich in der Küche Wasser aufsetze, fallen mir beim Warten die Augen zu. Verdammte Augen. Hätten sie das nicht machen können, als ich noch im Bett lag? Ich höre Schritte und schrecke auf – jemand hat das Licht gesehen.
    Â»Della?«, fragt Ruby. Sie zieht einen Hocker heraus, setzt sich an den Küchentresen und reibt sich die Augen. Obwohl wir unsere Morgenmäntel getrennt gekauft haben, sind sie beinahe identisch: weicher goldfarbener Satin, der locker fällt. Ihr Haar sitzt sogar mitten in der Nacht perfekt.
    Â»Tee?«, frage ich. Ich bereite in einer Teekanne russischen Karawanentee zu, wie sie ihn mag, und lehne mich an einen Schrank, als wir ihn in kleinen Schlucken trinken.
    Â»Dein Bruder irrt sich vielleicht«, sagt sie schließlich. »Gut möglich, dass du recht hast.«
    Â»Wie steht es um das Risiko-Rendite-Verhältnis bei ›gut möglich‹? Wie rechne ich das auf Dads Tafel aus?«
    Â»Irgendwann wird es immer zum Glücksspiel. Das ist der Teil, für den man Mut braucht.«
    Gestern in der Universität und bei unserer Sitzung habe ich nicht an die technischen Fragen gedacht. Jetzt kann ich an nichts anderes mehr denken. Mitten in einem Projekt von einer kurzen Nummer mit Papierkram und einem einzigen persönlichen Treffen zu einer langen Nummer mit mehreren Treffen und drei stimmigen Rollen zu wechseln ist riskant. So etwas macht man so gut wie nie. Hätte ich von Anfang an gewusst, dass es eine lange Nummer werden würde, hätte ich mehr recherchiert. Ich würde Daniel Metcalf jetzt in- und auswendig kennen, besser, als er sich selbst kennt. Aber jetzt bleibt mir dafür keine Zeit.
    Â»Du bist doch gar nicht überzeugt von der Idee. Du glaubst nicht daran. Das konnte ich dir bei der Abstimmung ansehen.« Ich stelle die Tasse ab, schließe die Augen und poche mit dem Kopf gegen die Schranktür. »Ein Tasmanischer Tiger. Um Himmels willen.«
    Sie sagt kein Wort. Sie sieht mich nur an und wartet.
    Â»Er wird es uns nicht abkaufen«, sage ich. »Niemand wird das. Ich hätte mir etwas Vernünftigeres überlegen sollen, etwas Naheliegenderes.«
    Ruby nippt bedächtig an ihrem Tee. Dann spreizt sie die Finger und zählt daran ab: »Eine Creme, die Cellulitis wegzaubert. Ein Pulver für den Benzintank, mit dem man kaum noch tanken muss. Saft von einer Pflanze aus einem abgelegenen Dorf in Sibirien, der einen nicht mehr altern lässt, wenn man ihn jeden Tag trinkt. Es gibt so viele großartige Ideen.«
    Ich nicke. »Ich weiß, ich weiß.«
    Â»Man muss doch nur die Zeitung lesen, um zu sehen, woran die Leute alles glauben. An Götter in jeder Form. Engel. Geister. Ufos. Frauen, die nie ihren Mann betrügen würden. Aktien von Bergbauunternehmen, die jetzt zehn Cent kosten und Ende nächster Woche zweihundert Dollar wert sind, weil die Entdeckung einer geheimen Mine öffentlich gemacht wird. Investmentfonds mit siebenundzwanzig Prozent Rendite.«
    Â»Du hast recht«, sage ich. »Ich weiß.«
    Â»Was ich nicht verstehe, ist die Sache mit den Göttern. Wenn man inbrünstig und ohne Zweifel an einen Gott glaubt, muss einem doch klar sein, dass jemand am anderen Ende der Welt genauso inbrünstig an seinen Gott glaubt. Es können nicht beide recht haben. Und trotzdem kommen Gläubigen nie Zweifel. Sie verachten andere Menschen dafür, dass sie genauso fühlen wie sie.«
    Â»Irgendwer muss doch entscheiden, was wahr ist und was nicht.«
    Â»Nein, Della.« Sie beugt sich über den Tresen und berührt meine Hand, was sie fast nie tut. »Das finde ich nicht. Man kann niemandem trauen, der glaubt, er könne diese Entscheidung für einen anderen fällen. Und wenn jemand so perfekt und unfehlbar ist, dass er in jedem Fall entscheiden kann, was wahr ist, na ja, dann wirst das nicht du sein. Du hast nicht zu bestimmen, wer was glauben soll. Deine Aufgabe ist es, eine Tür zu öffnen. Ob der andere hindurchgeht, ist seine Sache.«
    Â»Ich dachte, du glaubst an nichts«, sage ich. »Höchstens an den Schlankheitstee.«
    Â»Ich bin eine Skeptikerin. Aber ich bin nicht zynisch. Ich denke, dass jeder Mensch an irgendetwas glaubt, das

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