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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Jordan
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Selbstsicherheit und Schnelligkeit. Das Bewegungsgedächtnis lässt sich mit ein wenig Zeit und Konzentration schnell trainieren, und wenn man jemandem eine bestimmte Fähigkeit vortäuschen will, ist der Ablauf wichtiger als das Ergebnis. Während ich an einem Riemen nach dem anderen ziehe, fluche ich über Leute, die sich nicht um ihre Ausrüstung kümmern, und über das Rucksackdesign. Ich tue so, als wüsste ich, was ich da mache, obwohl ich keine Ahnung habe. Und vermeide es tunlichst, Daniel ins Gesicht zu sehen.
    Irgendwann ist es geschafft. Ich hebe meinen eigenen Rucksack auf die Knie und schwinge ihn mir dann auf den Rücken, wie man es mir im Laden gezeigt hat. Das Gewicht trifft mich wie ein herabstürzendes Klavier. Wenn ich das zehn Kilometer weit schleppen kann, ohne tot umzufallen, habe ich mir das Geld verdient.
    Â»Wem, haben Sie gesagt, gehört dieser Rucksack?«, fragt Daniel, als wir uns auf den Weg machen.
    Genau solche Sachen können ein Problem werden. Angeblich bin ich eine erfahrene Camperin mit wenig Geld. Da würde es passen, dass meine Freunde auch campen, also würde ich einen Rucksack wahrscheinlich eher leihen als neu kaufen. Aber dieser ist für einen Mann gedacht, noch dazu für einen großen. Wenn ich ihn von einem Freund geliehen hätte, würde ich damit verraten, dass ich einen großen, breitschultrigen Freund habe, den ich gut genug kenne, um mir von ihm eine teure Ausrüstung zu leihen. Nicht gerade hilfreich, wenn man einem Kunden ein Gefühl von vertraulicher Nähe geben oder diese in Aussicht stellen will. Genau wegen solcher Momente bin ich ständig erschöpft. Jede Kleinigkeit muss gut überlegt sein.
    Â»Ich habe ihn geliehen. Von einem Freund meines Bruders. Er ist ein Idiot.«
    Â»Weil er Ihnen den Rucksack anvertraut hat?«
    Â»Natürlich nicht. Mir kann man alles anvertrauen. Der Freund ist ein bisschen schräg drauf, aber ganz in Ordnung. Mein Bruder ist der Idiot.«
    Â»Ach so.«
    Wie die Regel es vorschreibt: Wenn möglich, bleib bei der Wahrheit.
    Während der ersten Stunde ist es heiß, und wir reden kaum. Die meiste Zeit sieht er sich nur um. Diese ganze Outdoorgeschichte ist für ihn Neuland. Ab und an stellt er allgemeine Fragen über Evolutionsbiologie. Nichts, was ich nicht beantworten könnte. Über Darwins Leben, Grundzüge der Theorie. Ich füttere ihn mit unwichtigen Details, etwa damit, dass Darwin mit der Veröffentlichung von der Entstehung der Arten einundzwanzig Jahre lang gewartet hat, weil er zwar von seiner Theorie überzeugt war, aber noch mehr Beweise wollte. Hätte Wallace ihn nicht mit der bevorstehenden Veröffentlichung der gleichen Theorie unter Druck gesetzt, hätte Darwin sein Werk vielleicht nie herausgegeben. Darwin glaubte an seine Thesen, aber er kannte den Unterschied zwischen Glauben und Wissen.
    Als Kind habe ich mir manchmal gewünscht, ich würde die Schule besuchen, statt zu Hause von Ruby unterrichtet zu werden. Und als ich Montag die Studenten in der Cafeteria gesehen habe, hätte ich sogar gerne studiert. Ich weiß, dass dies nur eine Vorstellung ist, dass es dabei eher um ein Leben als Intellektuelle geht als um ein reales Streben nach Wissen. In meinem Beruf habe ich mir ein breiteres Wissen über mehr Dinge angeeignet als jeder Uniabsolvent. Ich spreche passabel Französisch und Mandarin, spiele Tennis und Golf auf Wettkampfniveau und kann eine Jacht segeln. In Jura, Bankwesen und Finanzplanung habe ich mehr als nur Grundkenntnisse, ich würde als Altenpflegerin durchgehen und kann Sattelschlepper um Kurven steuern, obwohl ich keinen Führerschein dafür habe. Philosophie und antike Geschichte, die Spezialgebiete meines Vaters kenne ich im Schlaf. Ich habe viele Klassiker gelesen, wenn auch nur die, die mein Vater bevorzugt: über hilflose Menschen, die von den Reichen und Mächtigen unterdrückt werden – Dickens, Gorki, Solschenizyn.
    Beim Laufen denke ich an diese Bücher und an Daniels ererbten Reichtum und freue mich, dass ich ihn mit den schweren Sachen beladen habe. Der Busch sieht hier seltsam aus. In diesem Teil des Parks hat es vor Kurzem gebrannt, und die Hügel neben dem Wanderweg wirken wie eine entweihte Mondlandschaft, aus der schwarze Baumstümpfe ragen wie grimmige Speere. Rund um die Baumstümpfe und an den Astgabeln zeigt sich schon neues Leben in schillerndem

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