Die Schokoladendiät
schütteln. Typisch Richard, dachte Autumn zornig. «Wir arbeiten zusammen im Zentrum.»
«Ah», sagte Richard. «Noch so ein Weltverbesserer. Von denen laufen auf der Welt ja definitiv noch zu wenige herum.»
«Wir sollten uns nach dem Essen erkundigen», wiederholte ihre Mutter ängstlich.
Autumns einziger Trost war, dass ihre Eltern zu Weihnachten immer die wunderbarste Schokolade kauften. Sieüberlegte, wer sich am Ende des Mittagessens wohl verzweifelter nach seiner Droge sehnen würde – sie oder ihr Bruder?
Als sie sich bei Addison unterhakte, um ihn ins Speisezimmer zu führen, schaute Autumn verstohlen auf ihre Uhr. Sie mussten bloß noch die nächsten zwei Stunden ohne Zwischenfälle hinter sich bringen, dann konnten sie sich von hier verdrücken. Für Autumn konnte die Zeit nicht schnell genug vorübergehen.
10
Ted
hat sich richtig Mühe gegeben, dachte Chantal. Er hatte ein kleines Landhotel am Stadtrand von Bath gebucht – mit Sternerestaurant und Himmelbett im Zimmer. Auf der Fahrt hatte Ted ihre Hand gehalten, und im Hotel wartete ein prächtiger Strauß weißer Lilien auf sie sowie eine Schachtel teurer Schokolade, die Chantal sofort aufmachen musste.
Auch sie hatte sich richtig Mühe gegeben. Sie hatte die schrecklichen Schmerzen eines kompletten Brazilian Waxing über sich ergehen lassen und sich ein neues hauchdünnes Nachthemd zugelegt. Jetzt tat sie ihr Bestes, im Salon einen Cocktail zu trinken, wo sie sich doch nichts sehnlicher wünschte, als oben auf dem Zimmer mit ihrem gutaussehenden Ehemann zu schlafen.
«Bist du froh, hier zu sein?», fragte Chantal.
Ted nickte, doch seine Reaktion war etwas schwerfällig.
«Das Hotel ist wirklich ganz entzückend», fuhr sie tapfer fort. «Tolle Wahl.»
Er nickte noch einmal. Und als Chantal schon das Gefühl hatte, das ganze Gespräch würde sich sehr einsilbig entwickeln, sagte er: «Aber ist ein Hotel wirklich der beste Ort, um Weihnachten zu verbringen?»
«Wir hätten auch zu Hause bleiben können», entgegnete Chantal, obwohl sie sich bewusst war, dass sie im Augenblick nicht mal zusammen wohnten.
«Was bezeichnest du als dein Zuhause?»
«Du kennst doch die Antwort auf diese Frage, Ted. Ich habe mir eine Wohnung gemietet, um dir Zeit zu geben, über alles nachzudenken. Das wolltest du doch.» Ihre Hand fand seinen Oberschenkel. «Ich warte nur darauf, wieder zurück zu dir zu kommen, und das weißt du auch.»
«Ich hätte es nicht ertragen, dieses Jahr zu Hause zu feiern.»
Er musste ihr nicht erklären, warum. Sie wusste, dass ihr Mann ein Heim voller Kinder, Spielzeug und auf ihren Designerklamotten verkleckerter Milch wollte. Seit sie mit Nadia und Lewis zusammen wohnte, hatte Chantal sogar eine Ahnung davon, wie schön ein Weihnachtsfest mit Familie sein könnte. Sie hatte einfach nicht widerstehen können und gegen Nadias Aufforderung ein Dutzend hübsch eingepackter Geschenke für den kleinen Jungen unter den Weihnachtsbaum gelegt. Die beiden hatten sie am Morgen angerufen, um sich bei ihr zu bedanken, und Lewis war vollkommen überdreht gewesen vor Aufregung. Sie vermisste ihn sehr, und all das hatte sie ins Grübeln gebracht, ob Ted wohl recht hatte. Wäre ihr gemeinsames Leben besser, wenn sie ein Kind hätten?
Sie sah sich in der luxuriösen Umgebung um. Dieses Hotel war wunderschön, doch es war eher ein Ort für spießige Paare mittleren Alters. Selbst die tolle Schokolade konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es wie ein Museum war. Es würde niemandem im Traum einfallen, Kinder mit hierher zu bringen. Wirkte all seine Schönheit vielleicht deshalb so steril?
Wie um alles auf der Welt sollten sie sich die Zeit bis zum Abendessen vertreiben? Chantal hatte ein Buch mitgebracht, doch es war keine besonders leichte Lektüre, und sie fand keinen rechten Zugang dazu. Ted schien ganz damit zufrieden, dazusitzen und ins Leere zu starren, aber Chantal wurde allmählich unruhig. «Warum gehen wir nicht in den Wellness-Bereich eine Runde schwimmen?»
Ihr Mann zuckte die Achseln. «Okay.»
Ein wenig mehr Begeisterung wäre nett gewesen, doch sie würde nehmen, was sie kriegen konnte.
Außer Chantal war niemand in dem kleinen Swimmingpool. Der Spa war luxuriös dekoriert wie ein tropisches Paradies und lag etwas abseits vom Hauptgebäude des Hotels. Große Palmen standen um das türkisfarbene Wasser, und die Entspannungsliegen waren aus Bambus. Der Pool hatte eine verschlungene Form, die sich nicht zum
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