Die Schokoladendiät
habe mir langsam schon Sorgen gemacht, du würdest mich versetzen.»
Am anderen Ende der Leitung entstand eine unbehagliche Pause. «Chantal», sagte Ted. «Mir ist im Büro etwas dazwischengekommen. Ich schaffe es heute Abend nicht.»
«Oh.» Die Enttäuschung war ihr deutlich anzuhören. Immer gab es im Büro irgendeine drohende Krise, und sie hätte das eigentlich nicht überraschen dürfen.
«Tut mir leid, Schatz», seufzte er. Doch in Chantals Ohren klangen seine Worte ziemlich dahingesagt. «Vielleicht ein andermal.»
Vielleicht
ein andermal?
«Ted», sagte sie ruhig. «Es gibt etwas, was ich mit dir besprechen muss.»
«Hat das nicht Zeit?»
«Es ist wichtig. Soll ich auf dich warten, und wir essen zusammen zu Abend, statt ins Theater zu gehen?»
«Nein. Nein», wehrte er abwesend ab. «Geh du mal besser ins Theater. Ich weiß nicht, wie lange das hier dauert. Ich ruf dich an.»
«Okay», sagte sie zögernd.
Doch Ted hatte bereits aufgelegt.
Chantal starrte auf ihr Handy. Was war das denn für einfrostiges Gespräch gewesen? Sie trank ihr Glas lauwarmes Wasser aus. Und was sollte jetzt mit den Karten geschehen? Sich allein im Theater ein Stück über fehlgeschlagene Liebe anzusehen, kam ihr plötzlich nicht besonders reizvoll vor. Sie scrollte in ihrem Telefonbuch, fand eine andere Nummer und wählte sie. Einen Augenblick später ging an dem anderen Handy jemand ran.
«Hi, Chantal. Schön, von dir zu hören.» Die Wärme in der Stimme stand in starkem Kontrast zu dem kühlen Betragen ihres Mannes.
«Hast du heute Abend schon etwas vor?»
«Nichts, was ich für dich nicht absagen würde.»
«Kannst du in einer halben Stunde an der South Bank sein?»
«Ja.»
«Ich habe Karten fürs National Theatre.
Othello
. Hast du Lust?»
«Klingt toll.»
«Dann treffen wir uns im Foyer, Jacob», sagte sie und legte auf.
Sie hatte nicht vor, Jacob zu sagen, dass sie womöglich sein Kind unter dem Herzen trug. Aber wenn ihr Mann sich nicht einen Abend Zeit für sie nehmen konnte, sah sie nicht ein, warum sie ihn nicht in Gesellschaft eines anderen Mannes genießen sollte.
23
Nadia
und Autumn saßen im Chocolate Heaven. «Und dir macht es auch wirklich nichts aus?», fragte Nadia zum dritten Mal.
«Nein», wiederholte Autumn mit einem nachsichtigen Lächeln. «Überhaupt nicht.»
«Dann muss ich jetzt los», sagte Nadia und knabberte ängstlich an ihren Fingernägeln.
«Wir kommen zurecht», versicherte Autumn ihr. «Nicht wahr, Lewis?»
Nadias Sohn nickte und fuhr sich mit der Zunge über seinen Schokoladenschnurrbart.
«Sobald wir unseren Kakao getrunken und unsere Kekse gegessen haben, gehen wir in den Park», erklärte Autumn ihm. Lewis grinste frech und stopfte seinen Keks gleich noch schneller in sich hinein.
Nadia runzelte die Stirn. Sie war es nicht gewohnt, Lewis bei anderen zu lassen. «Achte darauf, dass er seine Mütze und seine Handschuhe anbehält.»
«Mach dir keine Sorgen», sagte Autumn. «So kalt ist es heute nicht.»
Vielleicht war es auch gar nicht die tatsächliche Temperatur, sondern eher das Frösteln in ihrem Herzen, das Nadiadas Gefühl gab, es wäre kalt. «Ich beeile mich», versprach sie.
«Das musst du nicht. Ehrlich. Ich habe erst heute Nachmittag wieder einen Kurs.»
Nadia senkte die Stimme. «Toby müsste heute Vormittag eigentlich unterwegs sein», flüsterte sie so leise, dass Lewis sie nicht hören konnte. «Ich will wieder weg sein, wenn er nach Hause kommt.»
Ihre Freundin sah sie mit einem besorgten Stirnrunzeln an. «Ich hoffe, du weißt, was du tust, Nadia.»
«Ich muss mir einfach sicher sein», erwiderte Nadia. «Und das ist der einzige Weg.» Sie gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange. «Hör schön auf Tante Autumn», ermahnte sie ihn. Dann gab sie auch Autumn einen Kuss. «Danke. Bis nachher.»
Nadia nahm die U-Bahn bis zur Haltestelle am Ende ihrer Straße. Auf dem Weg zu ihrem Haus klopfte ihr Herz immer schneller. Das ist doch lächerlich, rief sie sich in Erinnerung. Sie wollte sich schließlich nur in dem Haus umsehen, das immer noch ihr Zuhause war. Nur sollte ihr Mann von ihrem Herumgeschnüffel hinter seinem Rücken nichts mitbekommen. Er wollte, dass sie ihm vertraute, doch das gelang ihr noch nicht so recht. Sie brauchte konkrete Beweise.
Im Vorgarten stand noch das Zu-verkaufen-Schild des Maklers, doch über die Weihnachtstage war es ruhig gewesen, und niemand hatte sich für das Haus interessiert. Inzwischen war sich Nadia nicht
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