Die Schreckenskammer
Überzeugungsarbeit aufbringen und mich vielmals entschuldigen, meistens für Sachen, die ich gar nicht getan hatte. Man muss sich mal vorstellen, wie demütigend und erniedrigend das sein muss, zuerst verdächtigt und beinahe angeklagt zu werden, einem Menschen, den man liebt, etwas angetan zu haben, und sich dann von den Beschuldigern sagen lassen zu müssen: Denk dir nichts, wir haben es nicht so gemeint. Warum in der Folge dieser ersten Ermittlungen nicht Horden von Anwälten über die Polizei von Los Angeles hereingebrochen waren, ist kaum zu verstehen. Das Trauma des Erlebten würde diesen Leuten noch lange zu schaffen machen, und ich musste besonders vorsichtig sein, damit keiner von ihnen den Eindruck bekam, sie würden wieder unter Verdacht stehen.
Ich versicherte jedem, dass die Informationen mir helfen würden herauszufinden, ob einige neue Theorien über das Verschwinden ihrer Kinder Hand und Fuß hatten, und diese Erklärung wurde allgemein akzeptiert. Aber sie waren alle ein wenig verwirrt über die Fragen – welche speziellen Veranstaltungen haben Sie und Ihr vermisster Junge besucht? Die direkte Frage – haben Sie mit Ihrem Jungen die Monster-Ausstellung besucht? – wäre zu manipulativ gewesen. Die Antwort musste kommen, ohne dass ich sie ihnen aus der Nase zog.
Jeder Einzelne erwähnte das Museum. Im Verlauf von drei oder vier Tagen sprach ich mit allen und kam dabei zu einer neuen Erkenntnis: Fast alle waren im frühen mittleren Alter, zwischen einssiebzig und einsachtundsiebzig groß (die drei Frauen eingeschlossen), von durchschnittlichem bis unterdurchschnittlichem Gewicht – und alle waren Weiße.
Es war eine ungefähre körperliche Beschreibung meines Verdächtigen.
Ich brauchte wieder eine Doc-Dosis, aber auf neutralem Territorium. In seinem Büro kam ich mir vor wie eine Studentin, und so wollte ich mich in seiner Gegenwart nicht fühlen. Auf dem Revier ging es immer chaotisch zu, und so bat ich ihn, einen Ort vorzuschlagen, wo wir uns treffen konnten. Es war schließlich der Santa Monica Pier, wo wir uns zu einem Hot-Dog-Essen trafen.
Die Möwen waren so laut wie immer, aber der Lärm störte mich nicht. Ich liebe den Pier mit seinem bunten Treiben und seiner Vitalität. Manchmal wimmelt es dort von bösen Jungs – und auch von bösen Mädchen, vor allem an den Freitag- und Samstagabenden. Aber am Nachmittag ist es dort das reinste Paradies. Meine Kinder gehen gern dorthin, vor allem Evan, es ist einer unserer absoluten Lieblingsorte.
»Alle ehemals Verdächtigen sind ungefähr gleich groß, zwischen einssiebzig und einsachtundsiebzig, und sie sind alle eher dünn. Deshalb nehme ich an, dass mein Verdächtiger es ebenfalls ist, da solche Merkmale schwer zu simulieren sind.«
»Was ist mit Gesichtsmerkmalen?«
Ich dachte an das Poster mit dem schwarzen Schlitz, wo die Augen sein sollten. Mein geistiges Bild von dem Verdächtigen hatte ein größeres, noch schwärzeres Loch, wo das Gesicht sein sollte.
»Ich habe keine Ahnung, wie das Gesicht dieses Kerls aussieht.«
»Und was wollen Sie in dieser Hinsicht von mir?«
»Ich will noch einmal über die psychologischen Attribute reden, wenn Sie nichts dagegen haben, denn endlich habe ich etwas herausgefunden, das alle verschwundenen Jungs und ehemaligen Verdächtigen gemeinsam haben. Sie alle besuchten eine bestimmte Ausstellung im La-Brea-Teergruben-Museum …«
»Die mit den Tieren?«
»Ja. Sie lief ziemlich lang, und eine Unmenge von Leuten haben sie besucht. Ich muss also alle Leute überprüfen, die in dieser Zeit dort arbeiteten oder mit dieser speziellen Ausstellung zu tun hatten, einschließlich der Angestellten der externen Servicefirmen.«
»Klingt nach einer Menge Arbeit.«
»Ja, das ist es. Ich würde gern eine vernünftige Anzahl von Verdächtigen aus den Hunderten herausfiltern, und dazu brauche ich jede Hilfe, die ich bekommen kann.«
»Sie sind sich ziemlich sicher, dass er dort seine Opfer findet?«
»An diesem Punkt ist das noch Wunschdenken. Um ehrlich zu sein, mir kommt es ziemlich weit hergeholt vor, aber es ist die einzige Gemeinsamkeit.«
»Na ja, wenn es jemand ist, der im Museum arbeitet oder damit zu tun hat, dann haben Sie es wahrscheinlich mit einem gut organisierten Mörder zu tun.«
Das schien mir bereits offensichtlich. »Na ja, die Kontaktaufnahmen scheinen nicht spontan zu sein …«
»Stimmt, das ist ein Kriterium, aber es gibt gewisse subtile Eigenschaften, die man nicht oft genug
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