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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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gekommen wäre, solange wir noch hier waren; ich wollte diesen Kerl einmal persönlich sehen und hören, um mir über die unscharfen Fotos hinaus ein Bild von ihm machen zu können. Wen sonst konnte der Anwalt jetzt anrufen? Ich notierte mir die Zeit.
    Ich nahm an, dass sich der Anruf als Ortsgespräch erweisen würde, wenn wir die Telefonrechnung beschlagnahmten.
     
    Obwohl ich jetzt hatte, was ich wollte, war ich noch nicht bereit, das Studio zu verlassen; hier war noch etwas anderes, ich spürte es in den Knochen. Ein Satz aus dem Buch, das Doc mir gegeben hatte, ließ mich nicht mehr los: Es zeigt sich die beinahe universelle Neigung, von jedem Opfer ein Souvenir zu behalten.
    Gott allein wusste, welch schreckliche Dinge er womöglich aufbewahrte. Finger, Zehen, Ohren? Er hatte hier Hunderte von falschen Fingern und Gliedmaßen, aber echte würden irgendwann einen Gestank abgeben, den wir alle sehr gut kannten. Es konnten auch Kleidungsstücke oder Schülerausweise sein – die bekamen heutzutage ja sogar Grundschüler. Haarlocken, achtlos zwischen all diese Perücken geworfen.
    »Irgendwie müssen wir Zeit schinden«, sagte ich zu Spence. »Ich muss mir noch was überlegen.«
    »Wir können ja die Kartons ausleeren und Bestandslisten anlegen, als würden wir die Sachen mitnehmen.«
    »Gute Idee. Das dürfte eine Weile dauern.«
    Einer der Jungs stellte mir den Karton mit den Bändern in meinen Kofferraum. Ich raste mit quietschenden Reifen vom Parkplatz und fuhr direkt zum Revier.
    Als ich Fred berichtete, wir hätten die Bänder, sagte er nur: »Gut. Dann könnt ihr ja von dort verschwinden.«
    »Aber wir sind noch nicht fertig – nur überschlägig geschätzt, sind das nicht genug Bänder, um den gesamten Zeitraum der Ausstellung abzudecken. Ein paar von unseren Jungs suchen noch immer nach dem Rest.«
    Als die Bänder für mich hinausgetragen wurden, hatte ich mir die Szene betrachtet, die wie in Zeitlupe ablief; ich hatte noch nie gesehen, dass jemand so bedächtig Sachen aus Kartons zog: ein Dingsbums, noch ein Dingsbums, und was haben wir denn da, alles sehr bedächtig und regelmäßig und langsam. Beim Hinausgehen wies ich die anderen an, sich nur ja Zeit zu nehmen und alles sorgfältig aufzulisten, in bewusst übertriebener Lautstärke, so dass sowohl der Anwalt wie auch der Assistent es mitbekamen. Dem Anwalt platzte fast der Kragen vor Empörung, er schrie etwas von Oberster Gerichtshof usw. Unsere Jungs grinsten alle, als würden sie mit irgendeinem Streich ungestraft davonkommen.
    In einem unserer Geräteschränke war ein Handkarren, den wir bei einer Razzia beschlagnahmt und nie versteigert hatten. Den benutzte ich jetzt, um die Bänder in eins der Verhörzimmer zu fahren. Während ich auf das spezielle Gerät wartete, das nötig war, um sie ansehen zu können, zog ich all die Kassetten heraus, deren Datum ungefähr zu den Zeiträumen passten, in denen die Familien nach ihren Angaben die Ausstellung besucht hatten. Ihre Erinnerungen waren natürlich nicht perfekt. Als das Gerät endlich eintraf, war ich bereits ziemlich gereizt, aber meine Frustration wurde noch stärker, da ich bei einigen Fällen das Bandmaterial für mehrere Tage im Schnelldurchlauf durchgehen musste, um den fraglichen Jungen zu finden. In der Bewegung sahen sie alle so anders aus; ich hatte ja nur Fotos. Doch jedes Mal, wenn ich einen fand, freute ich mich einfach; es war fast so, als wären sie noch am Leben.
    Ich kopierte die jeweiligen Abschnitte mit den Jungen, so dass ich sie, als ich endlich fertig war, alle auf einer Kassette hatte. Mich schauderte, als ich daran dachte, was für ein Albtraum es wäre, Abertausende von Familien benachrichtigen zu müssen, wenn wir es nicht bald schafften, Durand zu stoppen.
    »Lany?«
    Ich sprang fast an die Decke. Fred stand in der Tür des Verhörzimmers.
    »Wie lange noch? Ich kriege eins auf den Deckel wegen dieser ganzen Überstunden.«
    »Nur noch ein paar Stunden. Versprochen.«
    »Wir sind verpflichtet, bei unseren Durchsuchungen gewissenhaft vorzugehen, falls Sie das vergessen haben.«
    Gott behüte, dass wir einem Perversen den Zutritt zu seinem Arbeitsplatz verwehren.
    »Dort ist noch mehr, Fred, ich weiß nur noch nicht genau, was. Ich brauche noch ein kleines bisschen mehr Zeit.«
    »Dieser Anwalt ruft mich alle fünf Minuten mit einer neuen Drohung an.«
    Was sollte ich sagen? »Tut mir Leid, Fred, aber wir arbeiten dort, so schnell wir können.«
    Offensichtlich

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