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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Tage als willkommenen Gast mit gutem Wein verwöhnen darf. Aber hinauffahren? Hahaha! Das ist eh unmöglich!« Mit dieser Erklärung nahm er Abschied.
    Nach Neujahr, am 5. Januar, löste aber Tisza die Abgeordnetenkammer auf, und als Tag für die Neuwahlen bestimmte er den 28. des gleichen Monats. Bálint verschob folglich den Ausflug ins Hochgebirge auf den Februar, denn nachdem er die Kandidatur in Lélbánya doch akzeptiert hatte, wollte er an seiner Programmrede arbeiten. Ázbej hatte seine Hand auch da im Spiel, und er ging höchst schlau vor.
    In Kuttyfalva lebte zu der Zeit ein schmal betuchter Kleinadeliger namens Jankó Cseresnyés, ein noch jüngerer Mann. Kurze Zeit hatte er als Praktikant bei der Komitatsverwaltung gearbeitet, dort gab man ihm aber aus unklaren Gründen bald schon den Laufpass. Seither nahm er allerlei Aufträge an. Hin und wieder trat er als Agent auf, ob es dabei um Versicherungen, Pferdehandel, eine alte Dreschmaschine, Kälber oder um andere Geschäfte ging, denn er war keine wählerische Natur. Damit brachte er sich durch von einer Parlamentswahl zur nächsten, denn sein Hauptberuf war der Stimmenfang. Er galt als ein hervorragender, großmauliger Wahlhelfer, der dank seiner schrecklichen Stimme auch den schlimmsten Lärm stets überschrie und mit seinem unübertrefflichen, saftigen Humor sogar die Leute von der Gegenpartei zum Lachen brachte. Eine Wahlkampagne bedeutete daher für ihn die Zeit der Weinlese. Er zeigte sich zu einem Gastspiel überall bereit, und er ließ sich von jeder Partei anstellen, denn er selbst neigte seinem Temperament gemäß eher der Opposition zu, die Regierungspartei zahlte aber in der Regel viel besser. Ázbej beauftragte also diesen Jankó Cseresnyés, den er gelegentlich auch als Rosstäuscher beschäftigte, sich nach Lélbánya zu begeben und von dort gleich eine Delegation nach Klausenburg zu führen, welche den jungen Abády bitten sollte, seinen Wählern ja treu zu bleiben, denn sie liebten den Grafen so sehr, dass sie von einem anderen Kandidaten nichts wissen wollten.
    Die Delegation kam schon am 7. Januar in der Stadt an. Sie waren etwa zu zehnt, zwei im Gehrock, der Apotheker und der Notar in schwarzem Franz-Joseph-Mantel, der Schultheiß und einige Bürger in dunkelblauer Weste, doch der eine oder andere auch in einer Pelzjacke, denn Jankó Cseresnyés hatte die Mitglieder der Delegation aus allen Schichten gewählt. Sie brachten eine von zweihundert Menschen unterschriebene Petition mit, in der sie ihren Abgeordneten anflehten, sie nicht im Stich zu lassen. Der Schultheiß – der auf der Anredeper »Bürgermeister« bestand – hielt eine Rede, die aber Jankó Csresnyés nicht genügte, sodass auch er zu einer Ansprache ausholte. Darin kam nun alles vor, was ein Ungar braucht; die fluchbeladenen Deutschen fanden Erwähnung, ferner die tausendjährige Verfassung, die Tabakbewilligung, Lajos Kossuth und die Steuern, Bálint Abádys ruhmreiche Ahnen und der unbegrenzte Zugang zu den Salzbrunnen.
    Diese Anhänglichkeit der Massen gegenüber seiner Person rührte Bálint wider Willen, und er akzeptierte die Kandidatur auf der Grundlage seines bisherigen Programms als 67-er Parteiloser.
    Am 14. Januar hielt er seine Programmrede; aus dem Obergeschoss des Gemeindehauses sprach er vom Fenster zum Volk, das sich auf dem Marktplatz von Lélbánya versammelt hatte. Er erweckte keine gewaltige Begeisterung; da und dort stießen einige zwar Hochrufe aus, die meisten blieben aber stumm, man vernahm sogar ein leises, unbestimmtes Murren. Vielleicht lag es daran, dass die Leute froren, dachte Bálint, als er am Nachmittag nach Klausenburg zurückreiste. Ázbej, der ihn hin- und zurückbegleitete, erklärte die frostige Stimmung ebenso. »Alles wird glattgehen«, sagte er, als sie sich in Marosludas trennten.
    Es ging aber nicht glatt.
    Jedermann wurde von der entfesselten Agitation mitgerissen, die von Budapest aus das Land überflutete. Tiszas Vorgehensweise, bei der er das Gesetz angeblich mit Füßen getreten hatte, rüttelte die gesamte ungarische Öffentlichkeit auf. Der Umstand, dass sich gemäßigte oppositionelle Gruppen mit der äußersten Linken verbunden und die Leute Apponyis sich mit der 48-er Partei vereinigt hatten, die Tatsache, dass die Oppositionskoalition das selbständige Zollgebiet, eine eigene Nationalbank und eine eigene Armee, nationale Errungenschaften wie in phantasiereichsten Tagträumen, versprach und den Kampf gegen das Kabinett

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