Die Schrift in Flammen
vorbei, die sie seit frühesten Zeiten schon kannte: dieser hier ein Gouverneur, dort ein Landeshauptmann, und jener wiederum war ein General unter István Báthory gewesen. Nicht das Alter des Geschlechts, sondern seine herausragende historische Rolle erfüllte sie mit starkem Selbstgefühl, und seitdem sie allein war, hatte sich diese Empfindung erst recht gesteigert, denn nun herrschte sie wieder unbeschränkt über das ganze Hauswesen, wie einst in ihrer Mädchenzeit. Seit dem Tod ihres Mannes widersetzte sich ihr niemand mehr, jedem hatte nur sie zu befehlen, und alles geschah – wie sie glaubte – einzig nach ihrem Willen.
»Wie viel braucht es?«, fragte sie abermals, während Ázbej mit der Antwort zu zögern schien.
»Tja, es fällt schwer, eine genaue Zahl zu nennen, aber ich denke, mit vierzigtausend Kronen könnten wir davonkommen und es schaffen.«
Frau Róza erhob sich. Sie trippelte zu dem kleinen Rosenholztisch vor dem Fenster. Sie setzte sich und zog eine der Schubladen heraus. Sie entnahm dem Fach nichts, sondern kramte darin nur herum. Sie suchte stets zu verheimlichen, wo, wie viel Geld vorhanden war, und sie ahnte nicht einmal, dass Ázbej dies nicht nur genauer wusste als sie selber, sondern dass er von den Banken nach den Einlagen sogar Provisionen bezog. Zuletzt nahm sie ein Sparkassenbuch heraus und verschloss die Schublade wieder.
»Da haben Sie dieses Buch. Es weist 42.700 Kronen und die Halbjahreszinsen aus. Machen Sie es damit!« Und dann, jäh wieder in die Rolle der guten Fee geschlüpft, fügte sie hinzu: »Sagen Sie meinem Sohn nichts. Ich will nicht, dass er weiß, was für ein Opfer ich gebracht habe.«
Ázbej kam das gelegen. Er gab ein feierliches Versprechen ab und ging seines Wegs. Einige Tage später kam ein Telegramm an die Adresse der Gräfin: »Es steht gut.« Am Vorabend der Wahl dann wieder eines: »Unser Sieg ist gewiss.«
Eine neue Nachricht traf am Vormittag des 28. Januar gegen zehn Uhr ein: »Der Gegenkandidat ist zurückgetreten. Die Wahl einstimmig. Ergebener Glückwunsch, Ázbej.«
Tags darauf sprach er bei Gräfin Róza erneut vor. Er brachte 5227 Kronen und zweiundvierzig Groschen zurück. So viel, sagte er, habe er gerettet. Mit dem Rest rechnete er genau ab. Die Gräfin lobte seine Zuverlässigkeit. Und sie war sehr glücklich.
Hernach meldete sich der Zwergagent bei Bálint. Dort war sein Erfolg schon minder groß.
Abády hatte nämlich zehn Tage vor der Wahl in der Zeitung Opposition mit nicht geringer Überraschung gelesen, dass sein erster Wahlhelfer, Cseresnyés, als Kandidat in Lélbánya gegen ihn aufgetreten sei. In einem Telegramm erbat er sich von Ázbej eine Erklärung. Dieser dementierte die Nachricht. Später bestätigte er sie doch in einem Brief. »Der Schuft«, schrieb er, »hat mich betrogen«, er versicherte aber Bálint, dass keine Gefahr drohe. Auch der Obergespan schickte besorgt ein Telegramm. Es kam wieder zu einem Briefwechsel zwischen Bálint und Ázbej, und dieser ließ ihm erneut beruhigende Zeilen zukommen; er meinte, es sei überflüssig und wäre sogar schädlich, wenn Abády den Wahlkreis abermals besuchen würde. So kam dann der Wahltag herbei und mit ihm die Nachricht von Cseresnyés’ Rückzug.
Abády witterte in der Angelegenheit etwas Verdächtiges. Er wusste zwar nicht, was geschehen war, fand aber das Ganze merkwürdig. Als Ázbej bei ihm seine Aufwartung machte, empfing er ihn sehr frostig.
»Erzählen Sie mir jetzt, wie sich das abgespielt hat«, sagte er mit strenger Miene. Ázbej wand sich, er redete hin und her. Die Wähler hätten nur den Herrn Grafen gewollt, hinter Cseresnyés sei ohnehin keine Partei gestanden, sodass er die Vergeblichkeit seiner Bemühung eingesehen habe, und er, Ázbej, habe ihn zum Rückzug überredet. Dies alles klang unwahrscheinlich. »Wenn das so war, warum haben Sie mir geschrieben, dass es schädlich wäre, wenn ich selber hinreisen würde?« Das war eine unangenehme Frage. Er gab zur Antwort, dass es doch eine Gegenpartei gegeben und er den Herrn Grafen vor Beschimpfungen habe bewahren wollen. »Wenn aber dieser Mann eine Partei hatte, warum trat er dann zurück?« Ázbej schien bei diesem Punkt, es wäre nun am besten, etwas von seinen Machenschaften einzugestehen.
Natürlich nicht alles. Auf keinen Fall etwa, dass Cseresnyés ihm den Rückzug schon beim Abschied am 14. Januar zugesagt hatte. Ebenso wenig, dass er am Wahlabend von den vierzigtausend Kronen der Gräfin dem
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