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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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unter Benützung jeder Demagogie führte, all dies schuf eine verbreitete Stimmung, welche der bisher mächtige Apparat der Regierungspartei nicht zu meistern vermochte.
    Die meisten Menschen wurden von einer beinahe revolutionären Erregung ergriffen, sie umgab das Haupt jedes Oppositionellen mit der Glorie des Märtyrers, wie wenn er mit Rákóczi oder Kossuth das bittere Los des Verbannten und des Gefangenen geteilt hätte. Diese gesteigerte oppositionelle Entschlossenheit riss auch das kleine Lélbánya mit. Auch dort las man die in Budapest verfassten Leitartikel, die bombastischen Sprüche und Kriegsrufe. Die Leute reichten einander die Blätter weiter. Die Stimmung neigte täglich immer mehr den 48-ern zu, und die örtlichen Leithammel, die zuvor mit den Wahlstimmen stets ihr Geschäft gemacht hatten, schlugen sich nun umso bereitwilliger zu den Linken, als ihr bisheriger Abgeordneter kein Budapester Bankier war, der die Stimmen für sich kaufte, sondern bloß der Eigentümer des Sees, von dem sie keinen unmittelbaren Gewinn ziehen konnten. Sie gaben folglich die Parole aus: »Wir brauchen diesen Abády nicht! Wir wollen einen 48-er Kandidaten oder eher einen 49-er!«
    Ázbej sah das schon früh. Auch Jankó Cseresnyés sah es. Der Letztgenannte sagte auch dem kleinen, dicken Herrn Direktor, dass sich das so von allein nicht geben werde, dass man Geld brauche, und zwar recht viel, und dass der Ausgang selbst so noch zweifelhaft sei. Die beiden sonderten sich ab, flüsterten, setzten etwas schriftlich auf, auch einige Banknoten versanken in Cseresnyés’ Tasche. Drei Tage danach besuchte Ázbej in Klausenburg Gräfin Róza. Unter großem Geheimtun ersuchte er um eine Audienz unter vier Augen.
    Róza Abády schickte Frau Tóthy und Frau Baczó aus dem Zimmer; dann blickte sie Ázbej fragend an, während er emsig Bücklinge machte und dann zu einem üppigen Vortrag ausholte. Er zählte auf, mit welcher Treue er seit Jahren diene. Wie sehr ihm die Interessen der Gräfin und der Ruf des jungen Herrn am Herzen lägen. Er widmete sich langfädig auch der glänzenden Vergangenheit und dem Ansehen der gräflichen Familie. Dann trug er vor, welche Erfahrungen er in Lélbánya gemacht hatte. Die Leute seien verwildert. Die Wahl des jungen Herrn sei ernsthaft gefährdet. Denn seit einem Tag gebe es einen Gegenkandidaten! Irgendeinen Nichtsnutz, einen Niemand, einen aus dem Amt gejagten Praktikanten. Einen gewissen János Cseresnyés. Es handle sich um einen Versager, einen Tunichtgut, der aber als Redner und Volksverführer zu allem fähig sei. Mit seiner Demagogie und Aufwiegelung vergifte er die Leute. Er, Ázbej,könnte nun die Schande nicht ertragen, wenn ein Graf Abády durchfiele, zumal gegen diesen allerletzten Hergelaufenen. Nein! Grauenhaft wäre das! Die ganze Nacht habe er nicht geschlafen, so nahe gehe ihm die Sache. Hätte der junge Herr die Kandidatur nicht angenommen und keine Programmrede gehalten, dann könnte man ja noch ausweichen. Doch jetzt, nachdem jede Zeitung darüber berichtet habe, dass er sich bewerbe, jetzt brächte ein Rückzug die gleiche Schande. Selbst die Vorstellung sei fürchterlich, dass der Herr von Dénestornya von einem solch unbehausten Gesellen eine Niederlage einstecken müsse.
    »Aber was kann man tun? Schrecklich! Das darf nicht sein«, sagte die arme Gräfin Róza und blickte Ázbej ratsuchend an.
    Dieser widmete sich wieder langen Ausführungen. Er setzte auseinander, dass er nie den Mut gefunden hätte, dergleichen zur Sprache zu bringen. Zwar treffe es zu, dass man es überall tue. Auch das Mandat in Lélbánya habe man bisher gekauft. Einzig zuletzt, bei der Wahl Bálints, sei es sauber zugegangen. Die abscheulichen Wähler dort seien es gewohnt, sie erwarteten, dass man sie bezahle. Er wage es kaum, so etwas zu empfehlen, fühle sich aber verpflichtet, die Sache aufzudecken, da doch die Gräfin danach gefragt habe. Einzig deshalb. Und eine andere Lösung sehe er nicht, es gebe sie auch nicht.
    »Wie viel braucht es?«, fragte Frau Abády nach kurzem Nachdenken. Ázbejs Reden hatten auf sie einen starken Eindruck gemacht. Am schwersten wog, dass ein auf die Straße gesetzter Praktikant ihren Sohn, Bálint Abády, den Nachfahren von Palatinen und Landesrichtern, besiegen könnte. Ihre ganze Prinzessin-Vergangenheit erwachte in ihr, der hohe Stolz, mit dem sie als winziges Mädchen einst die Säle in Dénestornya durchschritten hatte, an großen, stummen Familienporträts

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