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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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dritten Mal –, wie es ihm zwei Tage zuvor in Simonvásár gelungen war, den riesigen Rehbock zu erlegen, dem er zuvor so lange vergeblich nachgespürt hatte. Seine gute Laune kehrte bald zurück, und zwar umso eher, als man gelatinierten Zander mit kleingeschnittenem Schinken und Trüffeln und hernach Tournedos à la Rossini vorgesetzt bekam, Speisen, die er sehr mochte.
    Klára kehrte nach dem Mahl in ihr Zimmer zurück. Sie blieb stehen und dachte nach. Dann wusch sie sich die Augen, überlegte aber dabei weiter, und ein wenig beruhigte sie sich. Die Sache war am Ende doch nicht so hoffnungslos! Papa hatte sich jetzt ausgetobt. Und wenn László nicht spielen würde … Wenn sie beweisen könnte, dass er das Spiel aufgegeben, ihretwegen aufgegeben hat! … Ja! Dies wird gegenüber ihrer Stiefmutter als Beweis dienen, denn das Kartenspiel, so sagt man, ist eine Sucht, und wenn er es ihr zuliebe fertigbringt … Das ist ein Beweis! Gewissheit auch gegen die hässliche Verleumdung, dass László und diese Frau Berédy … Ach, keineswegs! Doch das, das eignet sich. Das wird die Probe sein, ja.
    Rasch setzte sie sich an ihren kleinen Schreibtisch, und mit ihrer eckigen, schrägen Schrift brachte sie eilig dies zu Papier: »Ich habe es erzählt! Es war schrecklich! Versuche morgen auf dem Rennplatz zufällig zu mir vorzudringen. Nicht vorher! Dort will ich Dir etwas sagen.«
    Einige Wörter unterstrich sie, »erzählt« und »zufällig« gleich dreimal. Dann trat sie auf Zehenspitzen zur Glocke und drückte sie ganz leicht, um sie nicht laut ertönen zu lassen. Einige Augenblicke verstrichen, dann betrat Ilus das Zimmer.
    »Was steht zu Diensten?«, fragte sie in der Tür.
    »Mach zu. Komm herein. Hat dich jemand herkommen sehen?«
    »Nein. Niemand ist im Korridor.«
    »Schau. Du sollst diesen Brief überbringen. Aber niemand darf es erfahren! Ich vertraue ihn dir an. Pass sehr auf, versteck ihn gut.« Und nun, Ilus ganz nahe, flüsterte sie sehr schnell: »Du musst ihn dem Grafen Gyerőffy übergeben. Ihm allein, in die Hand. Jetzt ist er vielleicht noch zu Hause. Museumstraße 1B, dritter oder vierter Stock, ich weiß es nicht, aber man wird es dir dort sagen. Willst du es tun? Gelt, du tust es?«
    »Oh, bitte, natürlich. Noch so gern …«
    »Aber man soll dich dabei nicht sehen! Du wirst achtgeben, nicht wahr?«
    »Oh ja, ich gehe gleich hin.«
    »Ja. Spute dich, es ist sehr, sehr wichtig!« Und nach den vielen Aufregungen des Tages wurde nun Klára vom Gefühl der Dankbarkeit und der Hoffnung überwältigt. Sie umarmte Ilus und küsste sie schwesterlich. Die kleine Zofe wich aber vor ihr zurück, als schämte sie sich, als hielte sie sich für unwürdig.
    »Belieben, bitte nicht!«, sagte sie und huschte lautlos zur Zimmertür hinaus.

    Der Kampf um den Königspreis galt als der Höhepunkt der Frühlings-Rennsaison. Jedermann war dabei, jedermann musste dabei sein: jede schöne Frau in ihrem prächtigsten Kleid, alle führenden Persönlichkeiten aus allen möglichen Kreisen in der Hauptstadt. Gewaltiges Gedränge auf allen Tribünen, und auch drüben, auf den Plätzen dritter Klasse, wimmelte es vom Volk. Pferderennen zogen damals noch unzählige Zuschauer an, und dies viel allgemeiner, breiter gestreut als heute etwa beim Fuß- oder beim Wasserball, denn ein Rennen bot dem Publikum mancherlei Genuss: ein glanzvolles Schauspiel, den Totalisator mit manchmal märchenhaftem Gewinn, die Spannung beim »finish«, und außerdem gehörte es in Budapest zum gesellschaftlichen Leben, beim Königspreis mit dabei zu sein, zu sehen und gesehen zu werden.
    Der Aufmarsch bereits bot ein sehenswertes Bild. Auf der engen Straße, die beim Ostbahnhof vom Anfang der Thököly-Chaussee abzweigte und an den wenigen damals noch bestehenden grauen Elendshütten des Hunderthauses vorbeiführte, folgte ein Wagen dem anderen. Hunderte von Fiakern, von vorzüglichen Trabern gezogen, sausten auf Gummirädern in schwindelerregendem Tempo dahin, Kaleschen klapperten langsam und würdevoll, dann einige Vierergespanne vor englischen »Coaches«. Gelenkt wurden die Pferde vom Eigentümer, am Oberdeck saßen etwa acht Leute, während der livrierte Kutscher, der hinter der letzten, höchsten Bank stand, mit seiner langen Messingfanfare mächtig tutete. Auch ungarische Vierer- und Fünfer-Juckergespanne fuhren mit flatternden Bändern unter großem Peitschengeknall vorbei. Die Damen, in welchen Wagen auch immer, trugen ihre schönsten,

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