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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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blumengeschmückten Toiletten, und sie steckten unter farbig leuchtenden Sonnenschirmen und großen Federhüten. Erst einige wenige Autos verbreiteten zwischen den Pferdegespannen ihren Gestank, und jedermann war ihnen böse, ja selbst die Pferde verabscheuten sie, sie spürten vielleicht, dass die Maschine sie vernichten würde.
    Die Haupttribüne füllte sich allmählich. Das festliche Publikum bedeckte die stufenartig angeordneten Bänke bis zum oberen, von einem Dach überzogenen Rand. Ein riesiges, abschüssiges Blumenbeet, so hätte man meinen können: Die Kleider der Damen leuchteten in vielerlei Rosafarben, in Blau, Weiß und Rot; schwarz zeichneten sich als Gegenstück zu ihnen die in dunklem Rock steckenden Männer mit ihren glänzenden Zylindern ab. Auch der Rasen füllte sich zum Bersten, er war lauter Farbe, Leben und Fröhlichkeit, von blendend hellem Sonnenschein übergossen.
    László Gyerőffy war früh gekommen, unter den ersten Zuschauern, die sich einzustellen begannen. Er stieg auf der Tribüne zur obersten Bank hinauf in jenem Teil, der für die Mitglieder des Reitvereins und ihre Familienangehörigen reserviert war, und von dort aus suchte er zu erspähen, wann die Kollonichs eintreffen würden. Er hatte seine Kleidung an diesem Tag womöglich noch sorgfältiger ausgewählt als je zuvor. Er trug einen eisengrauen Gehrock und eine im Schnitt eckig auslaufende, butterfarbene Zweireiherweste. Seine mit weißen Streifen aufgelockerte Hose mochte ein wenig provozierend wirken, doch zu einem Anlass dieser Art durfte man auch mit auffälligeren Beinkleidern erscheinen. Unter der scharfen Bügelfalte: Lackschuhe mit einem sandfarbenen Einsatz am Oberteil, als wären es glitzernde Klingen von Dolchen. Ins Revers seines Mantels hatte er sich natürlich eine volle gelbe Nelke gesteckt – die Blume, die seine und Kláras Liebe symbolisierte. Hoch aufgerichtet stand er da. Die langen Mantelschöße betonten noch seine Schlankheit, und sein leuchtender Zylinder verlängerte, machte ihn größer. So stand er auf der obersten Stufe über den Sitzen, wie ein Bild aus einem englischen Modejournal, und von unten richtete sich aus sehnsuchtsvollen Frauenaugen manch bewundernder Blick auf ihn.
    Er indessen schaute auf niemanden, sondern beobachtete einzig den Eingang, durch den das Publikum immer zahlreicher zum Concours hereinströmte und bald alle Bankreihen und auch den grünen Rasen überschwemmte. Hier konnte er die Ankommenden bestens verfolgen. Die schönen Damen der guten Gesellschaft, der Bankenwelt, des Gentry-Casinos und des Park-Klubs waren alle schon da. In ihrer bunten Menge erblickte er Neszti Szent-Györgyi mit der wunderbaren belgischen »Grande Cocotte«, die derzeit offiziell als seine Geliebte galt; sie hatte auf einem nach vorn gerückten Stuhl unmittelbar jenseits der Schranke der Reitvereinigung Platz genommen, als wäre sie die Turfkönigin. Er sah Kristóf Zalaméry mit zwei reizenden Orpheum-Diven; sie verschwanden mit ihm zwischen den Leuten, die auf dem Rasen standen. Später traf Frau Berédy ein, begleitet von ihren Nichten sowie von d’Orly, Devereux und dem alten Szelepcsényi. Auch sie blieben unten, nahe bei den Schranken, wo Fannys Hofmacher Gartenstühle herbeischleppten.
    Die feingliedrigen Vollblutpferde, Teilnehmer am ersten Lauf, paradierten bereits auf der Rennbahn vor der Schiedsrichterloge, als László seine Tante und Klára erblickte; sie zogen langsam zwischen vielen grüßenden Leuten dahin, um dann ganz unten Platz zu nehmen. Frau Kollonich setzte sich zu anderen Müttern und Klára zu weiteren Mädchen und jungen Männern in der ersten Bankreihe.
    László verharrte oben. Er wollte warten, bis Fürstin Ágnes sich zum Sattelplatz oder hinunter auf den Rasen begeben würde; von anderen umringt, sollte sie nicht bemerken können, dass er zu Klára schlich. Das Wort »zufällig«, so meinte er, verlangte dies. Klára würde nicht imstande sein, sich mit ihm vor den strengen Augen ihrer Stiefmutter ruhig auszusprechen. Die Warterei dauerte lange; der erste Wettkampf war schon vorbei, dann auch der zweite. Frau Kollonich, von Klára kaum zehn Schritte entfernt, saß noch immer da und rührte sich nicht.
    Als aber das Publikum vor dem Königspreis vom Paddock und dem Waaghäuschen zurückströmte, wo die beteiligten Pferde gesattelt wurden, erblickte Gyerőffy den Haushofmeister des Erzherzogs, der an Frau Kollonich herantrat. Mit zwei weiteren Damen erhob sie sich und

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