Die Schrift in Flammen
einen Umschlag mit schönen lithografierten Buchstaben erhielt: »Fürst Louis Kollonich von Kraguvácz und Knin sowie seine Gemahlin, geborene Gräfin Ágnes Gyerőffy von Kis-Kapus, haben die Freude, die Hochzeit ihrer Tochter und Stieftochter, Fürstin Klára Kollonich von Kraguvácz und Knin, anzuzeigen, die am 14. Oktober …« Und dann wieder, als Wuelffenstein und Niki Kollonich am Tisch besprachen, dass sie in ein paar Tagen zusammen mit dem Auto nach Simonvásár zum Hochzeitsfest fahren würden. Er verspürte einen stechenden, jähen Schmerz, der durch die selbstauferlegte Gleichgültigkeit hindurch nur einen Augenblick lang brannte. Als hörte er Nachrichten aus einer verlorenen Welt, die es vielleicht gar nie gegeben hatte. Und die Tage vergingen wieder in Gleichmäßigkeit.
Frau Berédy erwachte früh an einem Morgen Ende Oktober. Die Strahlen der tief stehenden Sonne drangen hier und dort durch die Öffnungen zwischen den schweren Vorhängen, sie stießen auf die fein gebogenen Beine des Betts und brachten auf der seidenen Bettdecke die eine oder andere Blume zum Blühen.
Sie erwachte mit einem merkwürdig unruhigen Gefühl. Etwas schnürte ihr die Kehle zu – ohne Grund, ohne jede Erklärung. Es muss sehr früh sein, dachte sie, und sie stützte sich auf dem Kissen auf. Sie schaute auf die Uhr. Erst halb sieben. Sie würde weiterschlafen. Sie sank zurück und schloss die Augen. Doch sie fand keinen Schlaf, und ihre Gedanken streiften um László. Der arme, liebe Junge! Wie unglücklich er immer noch war. Dabei tat sie wirklich alles, um ihn zu trösten, damit er Klára vergaß. Oh ja, alles! Mehr als die Klugheit befahl. Mehr als das, was zulässig wäre. Zehn Tage zuvor, am Tag der Kollonich-Hochzeit, hatte sie etwas riskiert, was sie sonst für niemanden getan hätte. Um ihn zu zerstreuen und ihn nicht sich selber zu überlassen, verbrachte sie den ganzen Tag zu zweit mit ihm. Sie fuhr mit ihm hinaus nach Máriabesenyő.
Sie hatte ihm gesagt, dass sie zur Wallfahrt hinfahren sollten und dass der Wald um diese Zeit schön sei. Sie waren am Vormittag mit dem Vorortszug zusammen hingereist, besuchten die wundertätige Jungfrau Maria, aßen in einem kleinen Wirtshaus, sie diktierte dort eher viel Wein in ihren Freund, dann machten sie einen Spaziergang im Wald. »Wie schön ist diese Rotbuche, nicht wahr? Und die Weißbuche dort, wie Zitronenschale, so ist ihr Laub!« Sie legten sich hin, und sie wiegte den jungen Mann ein, liebkoste seinen Kopf in ihrem Schoß, als wäre er ihr kleiner Sohn. Als es eindunkelte, kehrten sie wieder in ein Wirtshaus ein, sie bestellte einen recht starken Rotwein, und sie schenkte ihm oft auch Hefebranntwein ein, obwohl sie sonst immer zürnte, wenn László nach Wein roch. Jetzt jedoch ließ sie ihn absichtlich trinken. Sie war erfolgreich. Der gespannte, schmerzliche Zug im Gesicht des jungen Mannes schwand langsam, seine zusammengewachsenen Brauen beruhigten sich; stattdessen erschien nun ein leicht blöder, glasiger, doch gleichgültiger Blick, und später machte er sogar den einen oder anderen Scherz. Allerdings sprach er Ungereimtheiten, und Speichel rann ihm ein wenig aus den Mundwinkeln. Die schöne Frau Berédy hätte in diesem Zustand jeden anderen und selbst László widerlich gefunden, doch jetzt freute sie sich. Sie freute sich, dass ihr Freund seine Trauer vergaß. Es war gleichgültig, was ihn dazu geführt hatte. Es spielte nicht einmal eine Rolle, dass nicht ihre Schönheit, Liebe und Hingabe der Grund waren, sondern sein Rausch. Wichtig schien jetzt einzig, dass er vergessen, nicht an jene Heirat, nicht an jene Hochzeitsnacht denken sollte … In diesem Zustand durfte sie ihn getrost in einer Droschke in seine Wohnung an der Museumstraße bringen und dort ohne Angst zurücklassen. Nun konnte nichts mehr geschehen! Sie selber fuhr weiter, stieg in der Nähe des Gizella-Platzes aus, begab sich dort zum Fiakerstand und ließ sich in die Burg hinaufkutschieren.
Sie hatte leichtsinnig gehandelt, aber es war notwendig und anders nicht möglich gewesen! Sie hatte László an diesem Tag nicht allein lassen dürfen. Dabei war es eine übermütige Tat! Sollte ihr Mann das Geschehene je erfahren, dann würde er es gewiss benutzen, denn das sprach nun ernsthaft gegen sie. Und es würde die Aufmerksamkeit auf László lenken. Und wenn er sie auf dieser Fährte durch einen Privatdetektiv beobachten ließe? … Ja, sie war leichtsinnig gewesen, sie, die sich bisher
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