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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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werden kann. In ihrer Welt besaßen sie viel Macht, sie waren immer präsent, beide durften die Bauern Tag für Tag auf tausend Arten erschrecken, während er nur gelegentlich auftreten konnte, und wenn die Leute ihm auch vertrauten, solange er bei ihnen war – ja, aber was geschah hernach? … Er musste – hierin sah er die einzige Lösung – einen Anwalt finden, der nicht nur den Fall anzunehmen bereit, sondern auch von solcher Art wäre, dass das Bauernvolk ihm Vertrauen schenkte.
    Nun fiel ihm ein Name ein: Aurel Timișan. Er wäre gut geeignet. Er war Anwalt und stand bei den rumänischen Bauern gewiss im Ansehen. Wohl auch beim Popen. Er könnte womöglich auch ohne Prozess etwas erreichen. Alle hielten ihn für einen anständigen Mann. Ja! Er würde ihn aufsuchen. Schließlich ging es hier um rumänische Bauersleute.
    Wie am Morgen am Telefon vereinbart, sprach er am frühen Nachmittag beim Volkstribun vor. Der alte Herr empfing ihn im Rauchsalon.
    »Sie wagen es wirklich, mich zu besuchen, Herr Graf?«, fragte Timișan mit seinem üblichen spöttischen Lächeln hinter dem Schnurrbart. »Mich, der ich in Vác ein Jahr lang im Gefängnis gesessen bin? Schauen Sie, da ist der Beweis an der Wand!« Er zeigte auf eine breite, eingerahmte Fotografie, die etwa acht Männer darstellte. Bálint trat heran. Der Hausherr ließ sich leicht erkennen, obwohl sein riesiger Schnurrbart damals noch schwarz gewesen war. Er erkundigte sich nach den anderen. Es waren die Männer, die im »Memorandum-Prozess« eine Rolle gespielt hatten. »Und der hier, wer ist das?«, fragte Bálint und wies auf eine in der Mitte sitzende Gestalt, die Timișan nicht genannt hatte. »Der? Das ist der damalige Direktor des Staatsgefängnisses. Er hat uns sehr gut behandelt, und wir haben ihm deshalb – sagen wir es schon so – die Ehre erwiesen.«
    Sie ließen sich einander gegenüber in breiten, mit Persermuster-Plüsch bezogenen Lehnstühlen nieder, den damals typischen Möbelstücken der wohlhabenden bürgerlichen Wohnungen.
    »Ich bin nicht gekommen, Herr Abgeordneter, um unser letztes Gespräch fortzusetzen, sondern ich habe einen Fall, in dem ich Ihren Rat und Ihre Hilfe erbitte. Es geht dabei um rumänische Bauern, weshalb die Sache, wie ich meine, auch Sie interessiert.« Abády nahm seine Notizen zur Hand und trug die Angelegenheit des Pejkója vor. Er berichtete auch, dass Rus sich ihm widersetzt habe und dass er selber auch Kosten nicht scheue, aber bestimmt nicht klein beigeben werde. Timișan hörte ihn stumm an. Dann meldete er sich zu Wort, sprach aber nicht zur Sache: »Sagen Sie mir, Herr Graf, warum kümmert es Sie, was mit den Leuten dort geschieht?«
    Das war eine überraschende Frage. Bálint vermochte eine kurze Weile gar nicht zu antworten. Er hatte die freiwillige Bevormundung der Schwächeren dermaßen im Blut, dass er dafür jetzt aufs Geratewohl nicht einmal eine Begründung fand.
    »Es ist ein schreiendes Unrecht!«, sagte er schließlich. »Dergleichen darf man nicht zulassen. Soviel ich weiß, Herr Abgeordneter, stehen Sie in Verbindung mit der Bank Unita, die Rus über den Priester Timbuș mit billigem Geld versorgt. Wenn also die Bank erfährt, dass ihr Geld zu Wucher benutzt wird und den beiden eine Warnung zukommen lässt, dann, so meine ich, werden sie nachgeben, und wir können die Opfer retten.«
    Timișan setzte in einem etwas belehrenden Ton auseinander, dass der Bank nur eines wichtig sei: Die Zinsen der geliehenen Summe müssten in Ordnung bezahlt und das Kapital müsse getilgt werden. Sonst nichts. Der Rest gehe sie nichts an. Er sprach lange, formulierte kühle, fachmännische Sätze.
    »Aber Sie, Herr Abgeordneter, empört es Sie nicht, solche Dinge zu hören? Es handelt sich doch um Ihre Landsleute, die zugrunde gerichtet werden – gerade Sie, der Sie die Interessen dieser Menschen vertreten und mit Ihren Forderungen für deren Rechte einstehen?«
    »Bitte, da geht es um Politik.«
    »Um Politik? Und bei der Angelegenheit dieser armen Leute im Gebirge …?«
    »Auch dabei geht es um Politik«, lächelte der alte Volkstribun, »gerade dabei geht es darum.« Er dachte ein wenig nach und fuhr dann fort: »Ich sehe, dass Sie guten Willens sind, Herr Graf, und Sie haben mir mit Ihrem Besuch die Ehre erwiesen, was ich vonseiten der ungarischen Herren nicht gewohnt bin.« Hier lachte er ein bisschen. »Ich will das folglich honorieren und Ihnen die Dinge erklären. Ihre Vorfahren, Herr Graf, machten ihre

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