Die Schuhliebhaberin - Moore, M: Schuhliebhaberin
für alles erträumt hatte. Wenn es so war, dann war Nola wohl ein wahrgewordener Traum mit rosa Zuckerwattehaar.
23
An einem Montag kam Eggerdon um sieben nach neun in Amandas Büro geflattert. In seiner zitternden Hand hielt er einen Briefumschlag.
»Was ist das?«, fragte sie.
Er wedelte mit dem Umschlag. »Unsere Mrs Carrey ... Sie hat gekündigt.«
»Oh? Wie lange bleibt sie noch?«
»Zwei Wochen. Nicht ganz zwei Wochen.«
»Warum nicht ganz zwei Wochen? Ich meine, wie lange genau bleibt sie denn noch?«
»Sie hat mit zwei Wochen Frist gekündigt, aber ihr bleibt noch eine Woche Resturlaub, die sie auch nehmen wird. Bleibt also nur noch eine Woche.«
»Das ist aber wirklich wenig Vorlaufzeit«, räumte Amanda ein. »Wen haben wir, der ihre Aufgaben übernehmen könnte?«
»Niemanden. Und es wird dauern, jemand Neues einzustellen. Auf jeden Fall länger als eine Woche.«
»Was ist denn früher passiert, wenn sie mal Urlaub gemacht hat?«
»Wir haben einen Monat vorher gemeinsam daran gearbeitet, die Löhne fertigzumachen, und sie hat die Zahlungen termingerecht angewiesen. Und wenn sie wiederkam, konnte sie die Stundenkräfte und Teilzeitkräfte noch problemlos im laufenden Monat bearbeiten. Zumindest, wenn sie am Anfang des Monats ihren Urlaub nahm. Und darauf hat sie immer akribisch geachtet.«
»Dann haben wir noch einen ganzen Monat Zeit, ehe die Katastrophe über uns hereinbricht.«
Seine Miene hellte sich auf. »Ich glaube, Sie haben recht!«
Wieder half Amanda ihr guter Spürsinn. Erst an diesem Morgen hatte sie in der Financial News einen Artikel gelesen, wie effizient es wäre, die Lohnbuchhaltung auszulagern. Darum erklärte sie Eggerdon: »Wir werden die Arbeiten der Personalabteilung einfach extern vergeben. Es gibt viele Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben. Das sollte uns sogar Vorteile bringen. Diese Unternehmen, die für andere die Lohnbuchhaltung übernehmen, repräsentieren Dutzende Beschäftigte und nicht nur einen. Ich überlasse es Ihnen, Angebote einzuholen und uns einen neuen Dienstleister zu besorgen.«
»Ich werde Sie nicht im Stich lassen, Ms Garland.«
»Das weiß ich. Mr Eggerdon?«
»Ja?«
»Mrs Carrey muss schon länger gewusst haben, dass sie uns so im Stich lassen wird. Was glauben Sie, warum sollte sie das tun?«
Er wirkte verlegen. »Sie ... Also, sie und Sophie Sharpe sind immer sehr gut miteinander klargekommen.«
»Ach, wirklich? In dem Fall lassen Sie Mrs Carrey vom Wachdienst aus dem Gebäude begleiten. Sie sollten außerdem mal die Bücher von Mrs Carrey überprüfen lassen.«
Eggerdon wirkte ehrlich entsetzt. »Sie wollen doch nicht etwa andeuten ...?«
»Ich deute gar nichts an. Machen Sie es trotzdem.« Sie zögerte und dachte nach. »Wenn Sie den Vertrag über die externe Lohnbuchhaltung unterzeichnen, formulieren Sie ihn so, dass Sophie Sharpe kein Schlupfloch bleibt, um Mrs Carrey wieder einzustellen, falls es ihr gelingt, mich zu schlagen. Oder machen Sie es ihr zumindest verdammt schwer.«
»Ich verstehe. Ich stehe in der Sache hundertprozentig hinter Ihnen«, versicherte er.
»Ich weiß.« Sie tätschelte seine faltige Wange. »Es ist nur noch gut eine Woche bis zur Aktionärsversammlung, und dann wird dieser Druck endlich abnehmen, egal wie die Sache ausgeht.«
Er war bedrückt.
»Nur für den Fall«, fuhr Amanda fort, »dass es nicht gut ausgeht, sollten Sie schon mal eine Absichtserklärung für mich formulieren, ja? Sie sollte Ihnen Ihren Job garantieren, außerdem sollte eine inflationsgekoppelte Steigerung Ihres Gehalts aufgeführt sein, bis Sie in Rente gehen. Machen Sie diesen Vertrag hieb- und stichfest, damit jeder meiner Nachfolger, wie zum Beispiel die liebe Sophie, Sie unmöglich vor die Tür setzen kann.«
»Das ist aber überaus großzügig von Ihnen.« Er sah aus, als sei er den Tränen nahe.
»Das ist doch nichts. Sie sind ein guter Mann, Eggerdon. Solange ich für Forsythe Footwear die Verantwortung trage, möchte ich mit Ihnen zusammenarbeiten. Sollte es Sophie gelingen, mich rauszuekeln und hier das Ruder zu übernehmen, sollten Sie keine Repressalien fürchten müssen, nur weil Sie mit mir zusammengearbeitet haben.«
Amanda folgte Eggerdon aus ihrem Büro. Nola war heute ziemlich mutig. Sie war ganz im japanischen Mangastil gekleidet. Ihre wilden Haare hatte sie zu mehreren Zöpfen auf dem Kopf arrangiert, und sie trug eine japanische Schulmädchenuniform mit einer nachlässig gebundenen Krawatte und
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