Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Fuß gesetzt wurde, der vermutlich die gleiche Tat wieder begehen würde. Mit der Zeit würde der Unmut noch zunehmen.
Am gleichen Tag hatte eine Weiße namens Linda Zeroski an ihrer üblichen Ecke im alten Bordellviertel von New Iberia eine lautstarke Auseinandersetzung mit ihrem schwarzen Zuhälter. An der Ecke befand sich ein alter Gemischtwarenladen, der im Schatten einer mächtigen Eiche lag. Zu besseren Zeiten hatte der Inhaber des Ladens Eistüten an die Kinder verkauft, die auf dem Heimweg von der Schule hier vorbeikamen. Der ungeteerte Streifen Land rund um den Laden wurde jeden Nachmittag und Abend sowie den ganzen Samstag und Sonntag über von jungen Schwarzen mit Knasttätowierungen an den Armen und nach hinten gedrehten Baseballkappen auf dem Kopf in Beschlag genommen. Wenn man mit seinem Auto langsam an der Ecke vorbeirollte, drehten sie die Handteller nach oben und zogen die Augenbrauen hoch, fragten auf diese Weise, was man haben wollte, und deuteten zugleich an, was sie liefern konnten – Crack, Gras, braunes H aus Mexiko, feinstes weißes aus Asien, Muntermacher, Downer, so gut wie jede Droge, die auf der Straße im Umlauf war, mit Ausnahme von Crystal Speed, das sich erst allmählich von Arizona aus in den ländlichen Süden ausbreitete.
Linda Zeroski musste das Crack und das H, das sie tagtäglich rauchte oder sich in die Venen spritzte, nicht bezahlen. Auch nicht die Bußgelder, zu denen sie vom städtischen Gericht verurteilt wurde, oder die Kautionssummen, die sie für das Vorrecht, ihr Leben zu ruinieren, in Anspruch nahm. Ihre finanziellen Angelegenheiten wurden samt und sonders von ihrem Zuhälter geregelt, einem pragmatischen, gefühllosen Mann namens Washington Trahan, der Frauen mit dem gleichen Blick betrachtete wie ein Stück Seife. Mit Ausnahme von Linda Zeroski, die genau wusste, wie sie ihn bis aufs Blut triezen, ihn in aller Öffentlichkeit lächerlich machen und blamieren konnte. Washington hätte ihr liebend gern ein paar geknallt, bis sie nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand, sie an den Haaren ins Auto gezerrt und nackt und zugedröhnt auf dem Highway abgesetzt, aber Linda stammte aus ganz anderen Verhältnissen als seine übrigen Huren.
Sie hatte drei Jahre lang das College besucht und war die Tochter von Joe Zeroski, einem ehemaligen Killer für die Familie Giacano.
Ich sah Linda immer an ihrer Ecke stehen, fett und aufgeschwemmt vom Bier, die Haare gebleicht und verfilzt, stets in Jeans und Bluse, ohne BH, immer eine Zigarette zwischen den Fingern, deren Rauch sich um ihr Handgelenk kräuselte. Manchmal kam ihr Vater nach New Iberia und schaffte sie in ein therapeutisches Zentrum, aber nach ein, zwei Wochen war sie wieder an ihrer Ecke und bot sämtliche Dienste an, die ihre Freier von ihr verlangten.
Manchmal hielt ich mit dem Streifenwagen oder mit meinem Pickup und redete mit ihr. Sie war mir gegenüber stets liebenswürdig und bildete sich anscheinend etwas darauf ein, dass sie ein freundschaftliches Verhältnis zu einem Ordnungshüter hatte. Genau genommen war ich neben Perry LaSalle, der ihr manchmal vor Gericht beistand, vermutlich der einzige halbwegs gutbürgerliche Mann in New Iberia, den sie beim Vornamen anredete, von den Freiern einmal abgesehen. Einmal lud ich sie auf ein Root Beer und einen Hamburger in ein Drive-in ein. Ich wollte sie geradeheraus fragen, warum sie sich von Männern ausnutzen ließ, die nur ihre Lust an ihr stillen wollten, oder schlimmer noch, ihren Schoß dazu missbrauchten, um ihren Rassenhass und ihren Abscheu vor sich selbst darin auszutoben.
Aber einer bedauernswerten Frau wie Linda Zeroski stellt man so eine Frage nicht. Die Antwort weiß sie schon, aber sie wird sie niemals verraten, und sie wird denjenigen, der sie danach fragt, für immer und ewig verachten.
Es war heiß und trocken an dem Tag, an dem Tee Bobby auf Kaution aus dem Gefängnis freikam. Linda Zeroski wurde an ihrer üblichen Ecke von einem Weißen mitgenommen, der mit ihr zu einem Motel draußen an der Vierspurigen fuhr und sie anschließend wieder zurückbrachte. Sie trank mit den halbwüchsigen Crackdealern im Schatten der immergrünen Eiche ein paar Bier, schrie ihren Zuhälter in Grund und Boden, als er ihr vorwarf, sie bescheiße ihn um seine vierzig Prozent, verkehrte mit einem Schwarzen auf dem Rücksitz seines Autos, ging dann ein Stück die Straße hoch zu einem Crackhaus, wo sie sich den Arm abband, über einer brennenden Kerze einen Esslöffel voll
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