Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
braunem H aufkochte und sich einen Schuss in die Vene setzte, die blau-rot angeschwollen war wie ein Tumor.
Kurz nach Sonnenuntergang fuhr ein alter Spritschlucker an Lindas Ecke vor und hielt unter den weit ausladenden Ästen der immergrünen Eiche. Ein Mann mit Hut, ein Mann, dessen Gesicht und Hautfarbe im Zwielicht nicht zu erkennen waren, saß am Steuer und rauchte eine Zigarette, während Linda sich durch das Fenster auf der Beifahrerseite beugte und ihre Preisliste herunterleierte.
Dann drehte sie sich um, winkte den Crackdealern vor dem Laden kurz zu und stieg in das Auto.
Zwei Stunden später saß Linda Zeroski, die junge Frau, die drei Jahre lang die Louisiana State University besucht hatte, reglos auf einem Lehnstuhl neben einem am Bayou Benoit gestrandeten Hausboot, die Unterarme mit Klebeband an die Armlehnen gefesselt, eine Papiertüte über den Kopf gestülpt, während ein Mann, der Lederhandschuhe trug, immer wieder um sie herumging.
Sie versuchte zu begreifen, was seine Worte zu bedeuten hatten, weshalb er sich so in Rage steigerte. Wenn ihr nur das braune Zeug nicht so in den Ohren hämmern würde, wenn sie anständig Luft bekäme, nicht nur durch die Nase atmen müsste, weil er ihr eine schmutzige Socke in den Mund gesteckt hatte.
Dann, als der Mann, der Lederhandschuhe trug, plötzlich mit beiden Fäusten auf sie eindrosch, meinte sie tief in sich die Stimme eines kleinen Mädchens zu hören. Das Mädchen schrie nach seinem Vater.
Am nächsten Morgen fand ein Schwarzer, der im ersten Dämmerlicht seine Fangleinen im Sumpf auslegen wollte, die Leiche. Die Sonne war in einen Dunstschleier gehüllt und stand noch tief am Horizont, als Helen Soileau und ich sowie zwei Detectives aus Martinville, der Coroner und ein Deputy in Uniform an Bord eines Bootes der Sheriff-Dienststelle des Bezirks St. Martin gingen. In der kühlen Morgenfrische fuhren wir den Bayou Benoit hinauf, zwischen überfluteten Wäldern dahin und durch Buchten, in denen kein Laut zu hören war, auf die kein Regentropfen fiel, die von keinem Wind gekräuselt wurden, an deren Ufern Weiden, Gummibäume und dick mit Moos verhangene Zypressen wie hingemalt im grünen Licht standen.
Der Deputy steuerte das Boot aus der Fahrrinne, nahm das Gas weg und lotste uns durch ein Gehölz aus hohlen, abgestorbenen Tupelobäumen, deren Stämme wie Trommeln dröhnten, wenn der Bootsrumpf an ihnen entlangschrammte. Dann sahen wir die von blühenden Purpurwinden überrankten grauen Bordwände und die ausgedörrten, verzogenen Überreste eines Hausboots, das seit dem Jahr 1957, als der Hurrikan Audrey über Louisiana hinweggefegt war, zwischen den Bäumen lag.
Auf einer Sandbank, die aussah wie der Buckel eines Wals, stand ein Holzstuhl, auf dem Linda Zeroski mit vornübergesunkenem Kopf saß, so als wäre sie eingenickt. Zu ihren Füßen lagen die blutigen Fetzen der braunen Papiertüte, die man ihr über den Kopf gezogen hatte. Der Coroner, ein anständiger, älterer Mann, der dafür bekannt war, dass er stets einen Pflanzerhut, feuerrote Hosenträger und eine Fliege trug, streifte sich Latexhandschuhe über, hob Lindas Kinn an und drehte dann behutsam ihren Kopf von der einen Seite zur anderen. Mit einem Mal kam ein leichter Wind auf und ließ die Blätter im Sonnenschein tanzen, und ich schaute auf Lindas zerschlagenes Gesicht und musste schlucken.
Der Coroner trat einen Schritt zurück, zog die Handschuhe aus, die sich schmatzend von seiner Haut lösten, und warf sie in einen Müllsack.
»Was halten Sie davon, Doc?«, fragte Helen.
»Ich würde sagen, sie wurde mit Fäusten geschlagen, vermutlich von jemandem, der mit der einen Hand genauso kräftig ist wie mit der anderen«, sagte er. »In zwei der Wunden befinden sich Partikel, die wie Leder aussehen. Ich nehme an, er trug Handschuhe. Natürlich könnte er auch einen mit Leder überzogenen Gegenstand benutzt haben, aber in diesem Fall hätte sie vermutlich Verletzungen am Schädeldach, weil dort die Haut leichter platzt.«
Einer der Detectives des Bezirks St. Martin, ein gewisser Lemoyne, schrieb etwas auf einen Notizblock. Er war ein übergewichtiger Mann, der einen Regenhut, ein langärmliges weißes Hemd und einen Schlips trug und Galoschen über seine Straßenschuhe gezogen hatte. Immer wieder wedelte er sich die Moskitos vom Gesicht.
»Nach was für einem Typ sollen wir Ausschau halten, Doc?«, fragte er.
»Waren Sie jemals betrunken und haben irgendetwas getan, das Sie hinterher
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