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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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seiner Schuld?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Es waren noch andere beteiligt. Das tote Mädchen hat etwas Besseres verdient als das, was für sie getan wird.«
    Ihr Frotteebademantel war über der Hüfte zugeschnürt. Selbst in Pantoffeln war sie etwas größer als ich. Im weichen Licht wirkten ihre Sommersprossen wie mit einer Feder auf die Haut getupft. Ihre Haare waren dunkelrot, und als sie sich eine Locke aus der Stirn schob, erinnerte sie mich einen Moment lang an ein Schulmädchen, das unverhofft von einer Kamera erfasst wird.
    »Was starren Sie mich so an?«, fragte sie.
    »Einfach so.«
    »Bringen Sie Tee Bobby zu seiner Großmutter?«
    »Ich dachte, ich kette ihn an ein Bahngleis«, sagte ich.
    Grinsend verzog sie die Mundwinkel.
    Tee Bobby saß auf dem Beifahrersitz meines Pickups, als ich nach unten kam. Er hatte sich draußen auf dem Kies übergeben, und das ganze Führerhaus stank nach seinem fauligen Atem. Sein Rücken zuckte, und er hatte die Hände zwischen die Beine geklemmt.
    »Sind Ihre Großmutter und Ihre Schwester in Gefahr, Tee Bobby?«, fragte ich, bevor ich den Motor anließ.
    »Ich sag nix mehr. Da droben isses mir dreckig gegangen. Ich hab nicht klar denken können.«
    »Selbst wenn Sie sich aus dieser Sache herauswinden sollten – wo soll das alles denn Ihrer Meinung nach hinführen?«
    »Ich trete wieder auf und spiel mein Zeug.«
    »Soll ich Sie irgendwo absetzen, wo Sie sich einen Schuss besorgen können?«
    Wir waren auf der Zugbrücke über dem Teche. In der Stille rundum hörte ich die Reifen über das Stahlgitter rollen.
    »Ich hab kein Geld«, antwortete er.
    »Was ist, wenn ich Ihnen welches gebe?«
    »Das würden Sie machen? Ich war Ihnen echt dankbar dafür. Ich geb’s Ihnen auch wieder. An der Loreauville Road gibt’s ’nen Schuppen. Ich muss bloß den Affen loswerden, dann geh ich vielleicht zu so ’ner Gruppe.«
    »Ich glaube nicht, dass für Sie allzu viel Hoffnung besteht, Tee Bobby.«
    »Oh, Mann, was tun Sie mir da an?«
    »Amanda Boudreau geht mir nicht aus dem Sinn. Ich sehe sie im Schlaf vor mir. Macht sie Ihnen gar nicht zu schaffen?«, sagte ich.
    »Amanda hat mir wehgetan, Mann, aber ich hab sie nicht erschossen.« Seine Stimme klang gepresst, die Augen waren nass.
    »Inwiefern wehgetan?«
    »Weil sie so getan hat, als ob wir nicht miteinander gehn können. Sie hat gesagt, weil ich viel älter bin. Aber ich hab gewusst, dass es deswegen is, weil ich schwarz bin.«
    Er versuchte, die Tür aufzureißen, obwohl ich inzwischen auf der Loreauville Road war und mit Vollgas an einer Slumsiedlung bei der Kreuzung vorbeifuhr. Ich langte über die Sitzbank, zog die Tür zu und stieß ihm den Ellbogen seitlich ans Gesicht.
    »Wenn Sie sich umbringen wollen, können Sie das machen, wenn Sie allein sind«, sagte ich.
    Er legte die Hand über Ohr und Wange und fing an zu zittern, als ob seine Knochen nicht miteinander verbunden wären.
    »Mir geht’s gleich dreckig. Ich brauch ’nen Schuss, Mann«, sagte er.
    Ich fuhr mit ihm hinaus aufs Land, zum Haus eines schwarzen Pfarrers, der Alkoholikern und Obdachlosen ein Asyl bot. Als ich wieder aufbrach und auf dem Feldweg zurück zum Highway fuhr, war der Himmel immer noch schwarz, voller Sterne, und die Weiden ringsum dufteten nach Gras, Pferden und Nachtblumen.
    Es war einer dieser Augenblicke, in denen man sämtlichen höheren Mächten des Universums dafür danken möchte, dass einem das Schicksal erspart geblieben ist, das einen hätte treffen können.
    Etliche Stunden später saß Helen Soileau, meine Partnerin, draußen vor dem McDonald’s an der East Main Street und aß zu Mittag, als sie Marvin Oates sah, der seinen Koffer die Straße entlangzog; er trug ein taubenblaues langärmliges Hemd, das unter den Achseln klatschnass war. Er blieb im Schatten einer immergrünen Eiche vor Trappeys alter Abfüllanlage stehen und wischte sich das Gesicht ab, ging dann zum McDonald’s weiter, holte eine Tüte mit seiner Marschverpflegung und eine Thermosflasche aus seinem Koffer und fing an einem der Steintische, die draußen unter den Bäumen standen, an zu essen.
    Ein unrasierter Mann mit Hängebacken wie ein Bernhardiner aß ein paar Schritte weiter an einem anderen Tisch. Er nahm seinen Hamburger und die Pommes und setzte sich unaufgefordert neben Marvin, wischte die Krümel vom Tisch, breitete eine Serviette auf der Steinplatte aus und stieß Marvins Thermosflasche um. Marvin stellte sie wieder auf, beugte sich aber weiter

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