Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
er seine Dienstmütze von den Marines ab, setzte sie sich wieder auf den Kopf und schaute mit müden grünen Augen auf den roten Schein am Himmel und das im Wind wogende Zuckerrohrfeld meines Nachbarn.
»Ich dachte, die Dürre wäre vorbei. Aber kaum isses zwei Tage trocken, staubt schon wieder die Steppe«, sagte er.
»Machst du dir Gedanken, weil du Zeroski an der Nase rumgeführt hast?«, fragte ich.
»Joe gibt sich wahrscheinlich eines Tages die Kugel. Aber er hat sich noch nie jemand vorgeknöpft, der nicht in der Szene war. Ich glaube, wenn mir je ein Mafioso Leid tun könnte, dann ist er es«, sagte Clete.
»Wir haben keinerlei Einfluss auf diese Typen. Hör auf, sie zu manipulieren, Clete.«
»Ich glaube, ich sollte ihn anrufen«, sagte er.
Ich drückte Cletes Bizeps, grub die Finger tief in seine Muskulatur. »Ein für alle Male: Lass Zeroski und vor allem Legion Guidry in Ruhe.« Ich fasste noch fester zu, als Clete sich losreißen wollte. »Hast du mich verstanden? Legion Guidry kommt irgendwo anders her als alle anderen Menschen. Das ist eine theologische Feststellung.«
»Manchmal wünsche ich mir, du würdest deine Gedanken für dich behalten, Großer.«
Am Dienstag wachte ich vor Sonnenaufgang auf und ging zwischen den Eichen und Pekanbäumen hindurch zum Köderladen hinunter. Blaugrau hing der Nebel im fahlen Dämmerlicht, wurde dann rosa wie Zuckerwatte, als sich die Sonne über den Horizont schob, und ich sah schneeweiße Reiher, die wie Konfetti über den Zypressen im Sumpf aufstiegen.
Batist und ich schrubbten die Kabelrollentische ab, spannten die Sonnenschirme darüber auf, hoben die Bierdosen und Köderbecher an der Bootsrampe auf und sammelten mit einem Bootshaken den Müll ein, der zwischen den Stützpfeilern des Anlegestegs trieb. All das geschah unter der Aufsicht von Tripod, Alafairs fettem, dreibeinigem Waschbär, den sie als Haustier hielt. Danach machte Batist eine Pause, goss sich eine Tasse Kaffee aus der Kanne auf dem Gasherd ein, warf einen rot markierten Quarter in die Jukebox und spielte Guitar Slims »Well I Done Get Over It«. Die schwermütigen Klänge von Slims Musik schallten über das Wasser und in die Bäume wie elektronische Echos in einem Steinrohr.
»Warum spielst du ausgerechnet diesen Song?«, fragte ich.
»Der Mann erzählt davon, wie man über etwas wegkommt. Man kann es nie überwinden. Man kommt bloß drüber weg. Ich glaub, er hat begriffen, worum sich alles dreht.«
»Meinst du, Tee Bobby hat das weiße Mädchen ermordet?«, fragte ich.
Batist nahm Tripod von einem Regal, wo er an einem Glas voller Schokoriegel schnüffelte. Er öffnete die Fliegendrahttür und ließ ihn auf den Bootsanleger plumpsen.
»Der Junge taugt nix, Dave. Wenn du nicht glaubst, dass ich Recht hab, dann frag dich mal, mit wem er sich rumtreibt. Wenn Jimmy Dean Styles ›Spring‹ sagt, sagt Tee Bobby: ›Wie hoch?‹«
Wie es der Zufall wollte, klingelte kurz darauf, als ich gerade hinauf zum Haus gehen und mich für die Arbeit umziehen wollte, das Telefon auf dem Ladentisch. Schwester Helen Bienvenu, die Nonne, die in der Stadtbibliothek Zeichenunterricht gab, war am Apparat.
»Ich habe etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen«, sagte sie.
»Was denn, Schwester?«, sagte ich.
»Rosebud Hulin hat ein wunderbares Bild von Amanda Boudreau und ihren Eltern gezeichnet. Ich glaube, das Foto war vor etwa einer Woche im Daily Iberian. Als sie damit fertig war, hat sie es mir in die Hand gedrückt, als wollte sie es jemandem schenken. Sie wirkte dabei so bedrückt, dass ich es gar nicht recht beschreiben kann.«
»Ich verstehe nicht ganz. Was haben Sie denn Unrechtes getan?«, sagte ich.
»Ich habe die Zeichnung der Familie Boudreau gegeben. Ich habe ihnen nicht gesagt, wer das Bild gezeichnet hat, aber gestern Abend war Mrs. Boudreau in der Bibliothek und sah Rosebud in meiner Zeichenklasse. Offensichtlich war ihr der Zusammenhang sofort klar. Ich habe das Gefühl, als hätte ich eine ohnehin schon verfahrene Situation noch verschlimmert.«
»Haben Sie Rosebud gefragt, warum sie die Familie Boudreau zeichnen wollte?«
»Ja. Sie ist vor mir weggelaufen. Was werden Sie unternehmen, Mr. Robicheaux?«, sagte sie.
»Haben Sie noch jemandem davon erzählt?«
»Nein. Aber ein Schwarzer hat die Zeichnung gesehen. Er kam eines Abends zum Unterricht und wollte Rosebud heimfahren. Sie wollte nicht mit ihm gehen. Er besitzt eine Bar.«
»Jimmy Dean Styles?«
»Ja, ich glaube,
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