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Die Schuld wird nie vergehen

Die Schuld wird nie vergehen

Titel: Die Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
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kämpfen müssten. Glauben Sie, Sie könnten ihn schaffen?«
    »Sie wollen, dass ich gegen ihn kämpfe?«
    »Ich glaube, das wäre ein sehr interessanter Kampf.«
    »Heute Nacht?« Carl betrachtete Wingates Miene. Was steckte hinter der Frage des Generals? Die markanten Gesichtszüge des älteren Mannes lagen im Schatten.
    »Nicht heute Nacht«, antwortete der General mit einem Lachen, als sein Fahrer zu ihnen trat und sagte, dass der nächste Kampf anfing.
    »Das dürfte ein guter Kampf werden«, meinte Wingate. Er kehrte seinem Gast den Rücken zu und ging zur Scheune zurück. Carl war vollkommen durcheinander. Was führte Wingate im Schilde? Carl hatte schon häufiger vermutet, dass der General etwas von ihm wollte, aber er hatte keine Ahnung, was es war
    Es fiel ihm schwer, sich auf die folgenden Kämpfe zu konzentrieren. Wollte der General wirklich, dass er gegen Torrance kämpfte, oder war Wingate nur neugierig auf Carls Meinung? Während einer Pause schlenderte Carl herum. Er schaute zur Bar, wo ein Mann die Gewinner auszahlte. In einer dunklen Ecke dahinter redete Wingate mit Rodino.
    Der General war so mächtig, so selbstsicher. Was hätte Carl darum gegeben, einen solchen Vater zu haben, einen Freund, mehr als einen Freund. Der General wusste so viel über viele Dinge. Carl liebte seine Mutter. Sie arbeitete schwer für ihn, aber er sehnte sich nach mehr. Er vermisste einen Vater, einen Mann, der ihn beraten und anleiten konnte.
    Carl wusste, dass Vanessa das Schlimmste von ihrem Vater dachte, aber er war davon überzeugt, dass sie sich irrte. In der kurzen Zeit, die er Morris Wingate kannte, hatte der General nie auch nur ein böses Wort über Vanessa verloren. Carl war sicher, dass ihr Vater sie liebte und ihr die schreckliche Meinung verzieh, die sie von ihm hatte. Carl war überzeugt, dass Wingate mit allen Kräften versuchte, ein guter Vater zu sein, trotz Vanessas Versuchen, ihn von sich zu stoßen. Aber er konnte mit ihr nicht über seine Gefühle reden. Wäre er in diesem Punkt ehrlich, würde das seine Beziehung zu Vanessa zerstören. Und die Tochter des Generals war der wichtigste Mensch in Carls Leben. Er wünschte sich sehnlichst, Vanessa und ihr Vater würden Frieden schließen. Und noch stärker wünschte er sich, dass Morris Wingate nicht nur Vanessas Freund ihn ihm sah, sondern einen Sohn.
    Zwei Tage nach dem Ausflug mit dem General bezahlte Carl für einen Monat Unterricht in Mark Torrances Dojo. Torrance leitete das Dojo eines nationalen Franchiseunternehmens, International Karate. Das Stammhaus der Firma befand sich in Chicago. Die Schule lag in einem Ghetto im ersten Stock eines alten Holzhauses. Die meisten Schüler waren Schwarze oder Hispanos, doch es besuchten auch einige Weiße das Dojo, vor allem wegen Torrances Ruf. Carl schrieb sich unter einem falschen Namen ein und gab sich als Anfänger mit Vorkenntnissen aus. Er nutzte jede Möglichkeit, Torrances Kampfstil zu studieren, und kam zu dem Schluss, dass der Mann ein guter Kämpfer war. Er hatte allerdings auch einige Schwächen, die jedoch nur jemandem mit Carls Auge auffielen.
    Torrance letzte Klasse endete wochentags um zweiundzwanzig Uhr. Manchmal ging der Sensei mit einigen seiner Studenten auf ein Bier aus, aber niemals mittwochs, weil er dann seine Buchführung erledigte. An einem Mittwochabend hatte sich Carl ganz in Schwarz gekleidet. So konnte er sich besser in der Gasse gegenüber dem Dojo verstecken. Zwanzig Minuten, nachdem der letzte Schüler die außen liegende Holztreppe vom ersten Stock hinuntergekommen war, streifte sich Carl eine schwarze Skimaske über, lief rasch über die Straße und die Treppe hinauf. Er hatte einen trockenen Mund, und sein Herz hämmerte heftig, als er auf dem Treppenabsatz stehenblieb. Er wusste, wie verrückt das war, was er tat. Er war ein Junge, und Torrance war ein erfahrener Kämpfer. Noch konnte er aufhören! Schließlich war er nicht einmal sicher, ob Wingate wirklich wollte, dass er gegen Torrance kämpfte. Der General hatte das Thema später nicht mehr angesprochen. Und wenn es doch ein Test war? Wenn der General sehen wollte, was Carl daraus machte? Die Furcht brannte in ihm, und beinahe wäre er umgekehrt, aber der Wunsch, General Wingate zu gefallen, war stärker und zwang ihn förmlich dazu, den Türgriff zu packen und die Tür zu öffnen.
    Das Dojo war ein großer Raum mit einem Boden aus Hartholz. In einer Ecke lagen Aufwärmmatten, und an der Wand hingen Punchingbälle in

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