Die Schule der Nacht
Angst zittern. »Du hast nämlich nicht die leiseste Ahnung, mit wem du dich hier angelegt hast.«
Er schlang ihr einen Arm um den Hals und zerrte sie in Richtung der Toilettenkabinen. Oh Gott, bitte hilf mir!, dachte April panisch, während sie nach ihm trat und vergeblich versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Du erzählst doch überall herum, ich sei schwul«, zischte er. »Willst du wissen, ob an dem Gerücht was dran ist, ja? Willst du das? Soll ich ein paar von den Dingen, die ihr über mich erzählt, auch mit dir anstellen? Würde dir das gefallen? Hm?« Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. April fühlte sich wie ein Lamm, dem gleich von einem Wolf die Kehle durchgebissen wird. Sie wusste, dass sie etwas unternehmen musste, bevor es zu spät war.
» VERPISS DICH !«, brüllte sie, so laut sie konnte, und rammte ihm mit voller Wucht ihr Knie zwischen die Beine. Marcus stieß ein überraschtes Keuchen aus, ließ sie los und sackte zu Boden. Hastig schob sie sich an ihm vorbei und stürzte auf die Tür zu, die genau in dem Moment aufgerissen wurde.
»Was geht hier vor sich?« Mr Sheldon kam mit großen Schritten in den Waschraum geeilt, die Augen zu wütenden Schlitzen verengt. »In meiner Schule wird nicht derartig unflätig herumgebrüllt.«
Dann fiel sein Blick auf April, ihre zerrauften Kleider, ihr aufgelöstes, tränenüberströmtes Gesicht. »Was um Himmels willen…?« Er sah sich verwirrt um. »April! Was ist passiert?«
April konnte nur den Kopf schütteln und mit zitternder Hand hinter sich zeigen. Stirnrunzelnd trat Mr Sheldon an ihr vorbei und sah Marcus stöhnend auf dem Boden liegen. Der Schulleiter stieß einen unterdrückten Fluch aus und drehte sich dann zu April um. »Verschwinden Sie, April«, sagte er leise. »Ich regle das hier. Raus!«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Eilig ergriff April die Flucht.
Vierzehntes Kapitel
E r wird anrufen. Irgendwann rufen sie immer an, glaub mir.«
April schüttelte den Kopf und ließ sich in ihr Kissen zurückfallen. »Dich vielleicht, Simon«, sagte sie traurig. »Mich nie.«
»Simon hat recht«, sagte Caro. »Außerdem sind seit der Party erst zwei Tage vergangen. Was ist das schon? Und überhaupt, du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass ein Junge dich bei Mondschein an seinen Lieblingsort bringt und dich dann wieder vergisst.«
April versuchte zu lächeln, obwohl ihr eher zum Heulen zumute war. Es war nicht bloß die Tatsache, dass es Dienstagabend war und Gabriel noch nicht angerufen hatte, die sie so entmutigte, sondern die Summe dessen, was in den letzten zehn Tagen alles passiert war – von Marcus’ Angriff auf der Mädchentoilette gar nicht zu reden. Sie hatte versucht, sich einzureden, sie hätte überreagiert, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass ihre Angst begründet gewesen war. Er hatte vollkommen die Beherrschung verloren, und sie wollte sich gar nicht ausmalen, was er mit ihr gemacht hätte, wenn es ihr nicht gelungen wäre zu fliehen. Ihr schauderte, als sie an seinen hasserfüllten Blick zurückdachte. Am liebsten wäre sie ihm für alle Zeiten aus dem Weg gegangen, aber wenn sie nicht die Schule wechselte, würde es sich nicht vermeiden lassen, dass sie sich wieder begegneten. April seufzte. Seit sie nach London gezogen war, schien eine dunkle Wolke über ihrem Kopf zu schweben, und fast jeder Tag brachte irgendeine neue Katastrophe.
»Wenn er gesagt hat, dass er anruft, wird er das auch machen. Jungs haben bloß ein anderes Zeitgefühl als Mädchen«, erklärte Simon, während er vor dem Spiegel in Aprils Zimmer stand und sich die Haare kämmte. »Wahrscheinlich ist er gerade mit anderen Dingen beschäftigt, spielt Fußball oder ›Grand Theft Auto‹«
»Willst du damit allen Ernstes andeuten, dass Gabriel Swift so etwas wie Fußballschuhe oder eine Xbox besitzt?« Caro zog skeptisch die Brauen hoch.
»Nein, vermutlich nicht, aber dann ist er eben wegen irgendetwas anderem verhindert, vielleicht schreibt er tiefgründige Gedichte und hört dabei ›My Chemical Romance‹. Vielleicht ist er auch in einen Brunnen gefallen.«
Caro warf ihm ein Kissen an den Kopf. »Genau, oder er hat sich die Pest eingefangen. Jetzt reiß dich mal zusammen, Simon, die Sache ist ernst.«
»Okay, und was tun wir, wenn etwas ernst ist?«, sagte Simon und schob seinen Kamm in die Hosentasche.
»Keine Ahnung, uns unterm Bett verkriechen?«, fragte April kläglich.
»Nein, wir werfen uns in Schale!«, sagte Simon
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