Die schwarze Hand des Todes
der immerhin ein Fernglas barg. Er richtete es auf die Frau und folgte ihren Bewegungen durch das hohe Farnkraut bis zu einer Lichtung. Als sie stehen blieb und Umschau hielt, sah Mark ihr Gesicht. Die lang gezogene rote Narbe, die entstellte Wange und das verzerrte Auge waren unverkennbar. Und auch ohne das Foto, das ihm seit seiner Vernehmung in Edendale vor drei Tagen noch in Erinnerung war, hätte er etwas unternehmen müssen. Man konnte zur Zeit einfach keine Frauen allein im Ringham Moor herumlaufen lassen.
Mark sprach in sein Funkgerät. »Peakland Partridge Drei. Verbinden Sie mich mit dem Polizeinotruf.«
Beim Warten warf er einen Blick über die Mauer, hinunter auf die Ringham Edge Farm. Die Polizei war schon da.
Warren Leach hatte sich nicht mehr aus der Küche wegbewegt, nachdem die Jungen abgefahren waren. Der Schrotschuss hatte ihm den Hinterkopf zerschmettert und ihn vom Stuhl zu Boden gerissen, und dort lag er nun, zwischen Essensresten und Wäschebergen. Angekettet an der Hintertür verbellte ein Hund hysterisch die fremde Menschenmeute, die da plötzlich in den Hof eingebrochen war. Niemand traute sich in seine Nähe. Der Hundeführer und ein Tierarzt waren bereits benachrichtigt.
Bei seinem Eintreffen sah Ben Cooper auf dem Hof neben einem roten Pick-up einen Mann mittleren Alters in Jeans und Tweedjackett stehen, der sich mit Todd Weenink unterhielt: ein Farmer von der anderen Talseite, wie sich herausstellte. Leach hatte ihn angerufen und gebeten, am Nachmittag für ihn die Kühe zu melken.
»Dann hat er sich also dafür entschieden«, sagte der Farmer. »Überrascht mich nicht weiter, ehrlich gesagt. Ist nicht der Erste und nicht der Letzte, der lieber sauber Schluss macht.«
»Sauber« war nicht direkt das Wort, das Cooper beim Anblick der Küche in den Sinn kam. Er hütete sich, die Schwelle zu überschreiten. In dem Chaos auf dem Küchentisch erspähte er neben etlichen ungeöffneten Rechnungen einen offiziell wirkenden weißen Umschlag mit ordentlich getippter Adresse, den Leach anscheinend mit einem benutzten Buttermesser aufgeschlitzt hatte. Auch ohne nachzusehen, war Cooper sich ziemlich sicher, dass er eine Anzeige gegen Mr Warren Leach wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz enthielt.
Was, fragte Cooper sich, hätten sie noch tun können? Nach ihrem Besuch bei Yvonne Leach hatten sie Kontakt zum Sozialamt aufgenommen, doch das war aus Sorge um Will und Dougie, die Kinder, geschehen. Wer hatte sich um das Schicksal ihres Vaters gesorgt? Von allen hätte er am dringendsten Hilfe nötig gehabt. Fußboden und Wände der Küche waren Beweis genug.
Cooper dankte dem Himmel für den Funkspruch, der ihn und Weenink wenige Minuten später zu Mark Roper ins Moor hinaufrief.
Mit seinem zerschrammten, verschwollenen Gesicht sah der Ranger heute noch jünger und verlorener aus als sonst: ein blasses Bübchen, das nicht mehr weiterwusste.
»Sind Sie sicher, dass sie es ist?«, fragte Cooper.
»Ganz sicher.«
Cooper vertraute Marks Beobachtungsgabe. Aber ohne Diane Fry kamen sie hier nicht weiter.
Sie traf spätnachmittags ein, in Stinklaune, und parkte oberhalb der Farm neben den anderen Wagen am Hang.
»Wo ist sie?«, fragte Diane ihre beiden Kollegen, die unter den Bäumen warteten. Cooper beugte sich zu ihrem Autofenster herunter.
»Da oben.« Seine vage Geste brachte sie nur noch mehr auf die Palme.
»Im Moor?«
Fry stieg aus und streckte das Bein von sich. Statt sich daheim eine Tüte Tiefkühlerbsen auf das geschwollene Knie zu packen (nicht, dass ihr Gefrierfach dergleichen enthalten hätte), durfte sie sich nun den Felshang bis zum Plateau hinaufquälen.
»Wo denn genau?«
»Bei den Katzensteinen, da, wo sie damals angegriffen wurde«, sagte Cooper. »Mark Roper hat sie dort am frühen Nachmittag entdeckt. Sie will nicht herunterkommen. Wir überlegen gerade, ob wir sie nicht zu ihrer eigenen Sicherheit in Gewahrsam nehmen sollen.«
»Was?«
»Sie kann doch nicht da oben bleiben. Was ist, wenn sie dem Mörder in die Arme läuft?«
»Die Chance ist gering.«
Cooper schüttelte zornig den Kopf. »Okay, ich gehe mit.«
»Spar dir die Mühe«, sagte sie, knöpfte ihre schwarze Jacke zu und machte sich auf den Weg. Cooper und Weenink sahen ihr sprachlos nach.
»Ben?« Weenink war ein einziges Fragezeichen.
»Hol den Wagen«, sagte Cooper.
»Wohin soll’s denn gehen?«
»Noch mal zu Mark Roper.«
»Wozu?«
»Ich brauche ein bisschen Aufmunterung.«
»Aber
Weitere Kostenlose Bücher