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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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einem anderen Menschenwesen. Er hielt ein kleines, zerbrechliches Leben in Händen – und es löste nie gekannte Empfindungen in ihm aus. Er spürte ihren schwachen Herzschlag, ihr pulsierendes Blut, das leichte Heben und Senken ihres Brustkorbs und ihre warme, lebendige Haut an der seinen.
    Und dann wurde sich Owen noch anderer Empfindungen bewusst. Unter dem bis zur Taille hochgerutschten, zerrissenen Kleid des Mädchens sah er das weiche Fleisch ihrer Oberschenkel und ihren glatten weißen Bauch; die Umrisse der winzigen Genitalien zeichneten sich deutlich durch den Stoff ihres Höschens ab.
    Verwirrt über seine Reaktion saß er da wie angefroren, wagte keinen Muskel zu regen und betete, der Krankenwagen möge endlich kommen und die Last von ihm nehmen. Und doch hielt er, als wenige Minuten später die Sirenen heulten und fragende Stimmen ihn von allen Seiten umschwirrten, das Mädchen weiter verzweifelt an die Brust gepresst, spürte weiter ihre weiche Haut unter seinen Händen und ihr Gewicht, das an seinen Schultern zog, spürte seine Finger, die dieses unschuldige bleiche Dingelchen beschmutzten.
    Zuletzt schlug das Mädchen die Augen auf und sah ihn an. Sie erkannte seine rote Jacke und das Abzeichen.
    »Ach, Sie sind ein Ranger«, sagte sie. Noch jetzt, in der Erinnerung, fühlte Owen unsinnigen, verlegenen Stolz darüber, dass das Mädchen ihn auf Anhieb zuordnen konnte und sich in seinen Armen geborgen gefühlt hatte.
    Dann fielen ihre Augen wieder zu, und ein dünner Faden Blut lief ihr aus dem Mundwinkel. Ein warmer Urinstrom rann ihm vorn über seine rote Jacke, und dann war sie tot.

34
    Im Besprechungsraum sah man erwartungsvolle Mienen. Die Zeit war überreif für gute Neuigkeiten, so die einhellige Meinung.
    Der Untersuchung zufolge war Ros Daniels an schweren Kopfverletzungen gestorben; allerdings wies die Leiche noch weitere verdächtige Merkmale auf, die der Deutung harrten. Falls der Täter mit ihr auf Tuchfühlung gekommen war, mussten sich eindeutige Gewebespuren von ihrer Kleidung an seiner Jacke oder Hose finden lassen, möglicherweise auch noch Pflanzenreste und Sandsteinpartikel. Ein Materialienvergleich würde den Beweis für einen direkten Kontakt liefern. Nun brauchten sie nur noch einen konkreten Verdächtigen.
    »Die vorläufige Freilassung von Owen Fox ist im Rahmen einer anderen Ermittlung erfolgt«, sagte Tailby. »Mit dem vorliegenden Fall hat er erwiesenermaßen nichts zu tun.«
    Zweifelndes Gemurmel erhob sich. Doch Ben Cooper war nicht weiter überrascht. Die Kippen unter Ros Daniels’ Leiche konnten nie und nimmer von Owen stammen. Cooper fielen auf Anhieb drei direkt in die Ermittlungen verwickelte Personen ein, die rauchten, und Owen zählte nicht dazu. An den Zigarettenfiltern hatten die Kollegen von der Kriminaltechnik Speichelreste gefunden, die nicht völlig eingetrocknet waren, weil die Kippen unter der Leiche gelegen hatten. Die Restfeuchte des Tabaks ließ darauf schließen, dass die Zigaretten unmittelbar vor Ros Daniels’Tod geraucht worden waren. Von wem, würde sich mit Hilfe der DNA-Analyse eindeutig bestimmen lassen.
    »Bis dato ist es uns nicht gelungen, eine direkte Verknüpfung zu Warren Leach herzustellen«, sagte Tailby. »Aber er bleibt verdächtig.«
    Leach war gleichfalls Nichtraucher gewesen, wie fast alle Farmer, die ständig mit Heu, Stroh und benzinbetriebenen Landwirtschaftsfahrzeugen zu tun hatten. Aber irgendwer hatte geraucht, als die tödlichen Angriffe auf Ros Daniels und später auf Jenny Weston verübt wurden.
    Tailbys Kopf sackte ein wenig nach unten. Er sah müde aus, und seine Augen lagen tief in dunklen Höhlen. »Wir suchen immer noch nach entscheidenden Fingerzeigen«, sagte er. »Aber wo?«
    Er sprach für die ganze Versammlung. Wie war es möglich, dass sie bei zwei Leichen und einem dritten überlebenden Opfer, zehn Tage nach Beginn der Ermittlungen weiter denn je davon entfernt waren, einen Verdächtigen benennen zu können? Eine Kollegin war vom Bürgerselbstschutz angegriffen und verletzt worden, ohne dass bislang jemand dafür zur Verantwortung gezogen worden wäre. Fragen über Fragen. Und die Zeitung titelte: »Wie viele noch?«
    Tailby blickte zu Boden. »Halten wir uns an die Fakten. Abgesehen davon, dass Daniels eine Weile bei Weston gewohnt hat, verband sie unseres Wissens nach nur das Engagement für Tiere. Oder, Paul?«
    »Ganz recht«, sagte Hitchens. »Nach gründlicher Untersuchung des Schuppens auf der Ringham

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