Die schwarze Hand des Todes
immer noch fremd fühlte. Bei ihr zu Hause in Birmingham hätte man so ein Relikt längst abgerissen und Platz für einen neuen Autobahnzubringer geschaffen.
»Das ist also Partridge Cross«, sagte sie. »Das Rebhuhnkreuz. Ich dachte erst, der Name wäre ein Scherz. Das klingt ja wie aus dem Heidedoktor.«
»Es war früher ein Bahnhof, an der High-Peak-Strecke …«
»Verschon mich. Das kannst du den Touristen erzählen.«
Wenn sie dachte, sie könnte ihn damit kränken, hatte sie sich getäuscht. Er zog lediglich die Augenbrauen hoch.
»Hör mal, Diane. Ich weiß ja auch, dass es mit uns nicht gerade ideal gelaufen ist, aber deshalb können wir doch trotzdem zusammenarbeiten«, sagte er.
Es machte sie rasend, wenn er so tolerant und vernünftig war. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte sich seine Abneigung anmerken lassen. Schließlich hatte sie die Beförderung bekommen, die von Rechts wegen eigentlich ihm zugestanden hätte, diesem beliebtesten aller Modellpolizisten. Darin waren sich alle einig. Es wäre nur allzu verständlich gewesen, wenn er sie nicht hätte leiden können.
Fry seufzte. »Hast du eine Landkarte dabei?«, fragte sie.
Sie wussten, dass Jenny Weston eineinviertel Stunden vor ihrem Tod in Partridge Cross aufgebrochen und auf dem asphaltierten High Peak Trail in Richtung Osten geradelt war. Buchen und Holunderbüsche überschatteten den Weg, welke Brennnesseln und Brombeersträucher rahmten ihn ein. Jenny musste unter der A515 hindurchgefahren sein, bevor sie den Weg verließ und die alte Römerstraße überquerte, um danach den Aufstieg ins Ringham Moor in Angriff zu nehmen.
Als Fry und Cooper vom Radverleih losgingen, lichtete sich der Nebel. Eine Düsenmaschine mit Ziel East Midlands Airport zeichnete einen weißen Streifen an den Himmel. In der Ferne bellte halbherzig ein Hofhund. Dazwischen war es so unnatürlich still, dass das Flattern eines Taubenschwarms ebenso laut wirkte wie vorher das Flugzeug.
Aber es waren schon die ersten Leute unterwegs. Eine Frau mit stahlgrauem Haar joggte vorbei. Sie trug eine lila Radlerhose und ein knallgelbe Hüfttasche. Zwei große, struppige Hunde versuchten hechelnd, mit ihr Schritt zu halten. Cooper stoppte sie und stellte die üblichen Fragen. Ob sie gestern Nachmittag auch hier vorbeigekommen sei? Ob sie sich an diese Mountainbikerin erinnere? Er zeigte ihr ein Foto von Jenny Weston und beschrieb deren Rad und Kleidung. Ob sie sonst jemanden gesehen habe? Die Frau gab ihr Bestes, doch sie konnte ihnen nicht weiterhelfen. Dann trieb sie die Hunde an und lief weiter.
Wanderer kamen ihnen entgegen, meistens zu zweit, einmal aber auch in einer kleinen Sechsergruppe. Sie alle begrüßten Cooper und Fry mit einem freundlichen »Morgen«, noch bevor die Polizisten sie anhielten, um ihre Fragen zu stellen.
»Sieht man uns so deutlich an, wer wir sind?«, fragte Fry beklommen.
»Nein. Das gegenseitige Grüßen gehört beim Wandern einfach dazu. Es ist ein Zeichen der Verbundenheit unter Gleichgesinnten.«
Fry schnaubte verächtlich. Nach einer Weile begegneten sie einem einzelnen Mann. Langsam und mit gesenktem Kopf kam er auf sie zu. Er trug einen abgewetzten Anorak, sein Haar war dunkel und fettig. Fry musterte ihn scharf und spannte die Schultern an. Der einsame Wanderer warf ihnen einen nervösen Blick zu.
»Morgen«, sagte er.
Als Cooper ihn befragen wollte, gab er an, noch nie zuvor in dieser Gegend gewesen zu sein, und er durfte weitergehen.
Nachdem er sich ein paar Meter entfernt hatte, blieb Fry stehen.
»Der Typ sieht mir verdächtig aus«, sagte sie. »Wir sollten ihn richtig überprüfen.«
»Wozu? Ist bestimmt bloß ein harmloser Vogelbeobachter oder so.«
Zunächst bestimmten rechts und links der niedrigen, leicht übersteigbaren Böschungen Äcker und Weiden das Bild. Aber damit war es nach einer Meile vorbei. Jetzt führte der Weg in eine felsige Schlucht zwischen steilen, bröckelnden Kalksteinwänden. Die primitiven Sprengungen beim Eisenbahnbau hatten scharfkantige Löcher ins Gestein gerissen. Es wäre unmöglich gewesen, an den mit Brombeergestrüpp überwachsenen Hängen hinaufzuklettern. Zwischen den herabgestürzten Felsbrocken und in den tiefen Spalten boten sich unzählige Verstecke.
Noch hatten sie ein ganzes Stück zu gehen bis zu der Stelle, wo Jenny Weston sich an den mühevollen Aufstieg ins Hochmoor gemacht hatte. Weiter vorne würden die Absperrbänder und Polizeiposten dafür sorgen, dass niemand dem
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