Die schwarze Kathedrale
Weg zurück, den wir gerade gekommen waren, und wenige Minuten später standen wir wieder vor dem neuen Dekanat. Da ich später alles genau beschreiben mußte und sich in den Aussagen der verschiedenen Zeugen gravierende Unterschiede ergaben, will ich jetzt ganz genau berichten, was ich gesehen und gehört habe, obwohl mir die Bedeutung von vielem erst klar wurde, als ich später darüber nachdachte.
Wir gingen also durch den Hintereingang in den Garten und klopften an die Tür. Sie wurde augenblicklich geöffnet, und vor mir stand der Mann, den ich am Vortag getroffen hatte.
»Ich freue mich außerordentlich, Sie zu sehen«, sagte der alte Herr lächelnd zu mir und nickte Austin freundschaftlich zu. Er schüttelte uns die Hand und bat uns herein. Ich bemerkte, daß Austin zitterte. Im Haus war es kalt, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß das der Grund dafür war.
Beim Hineingehen sagte ich: »Ich finde es sehr aufregend, mir vorzustellen, daß dies einst das Haus von Burgoyne war.«
»Und von Freeth«, fügte unser Gastgeber hinzu. »Vergessen Sie Freeth nicht, der in unserer Geschichte eine sehr viel bekanntere Gestalt ist.«
»Aber er ist mehr wegen der Art bekannt, auf die er ums Leben kam, als für irgend etwas, das er zu Lebzeiten getan hat«, erwiderte ich, und er nickte eifrig. »Denn seine Taten waren schäbig und zeugten von niedriger Gesinnung, während Burgoyne eine sehr viel bewundernswertere Persönlichkeit war; ein brillanter Gelehrter, der in der Blüte seiner Jahre ein jähes Ende fand.«
Während ich sprach, führte unser Gastgeber uns durch eine große, alte Küche mit Spüle und Vorratskammern und dann in einen dunklen Korridor. »Wirklich schäbig und gemein«, stimmte er mir zu. Vor einer geschlossenen Tür wandte er sich zu uns um. »Legen Sie doch Hut und Mantel ab.« Und während wir alles an einer Reihe von Haken an der Wand aufhängten, fügte er hinzu: »Wir werden den Tee in der Wohnküche einnehmen. Dort ist es viel gemütlicher als im Eßzimmer.«
Damit öffnete er die Tür und führte uns in den großen Hauptraum, der, wie das früher üblich war, eine Tür zur Straße hatte. Es war eine echte Wohnküche, ein Zwischending zwischen Eßzimmer und Küche, mit einem großen Herd, auf dessen Rost bereits im Kessel Wasser kochte. Eine riesige Anrichte nahm fast die ganze Länge einer der Wände ein, und neben der Tür zur Straße stand eine schöne alte Uhr. Die Mitte des Raumes beherrschte ein gewaltiger Eichentisch mit vier oder fünf Stühlen.
»Ich habe zwar eine Haushälterin, aber am Nachmittag ist sie nicht da, und wir müssen alleine zurechtkommen«, erklärte Mr. Stonex.
Nach allem, was Quitregard mir erzählt hatte, war ich sehr erstaunt über die Unordnung, die hier herrschte. Ein Kohlebehälter, Zangen, ein Schürhaken, zwei Wasserkrüge, ein Eimer sowie einige leere Vorratsbehälter lagen über den Fußboden verstreut. Die Schubladen der Anrichte waren aufgerissen, und ihr Inhalt – Besteck, Servietten, Platzdecken und dergleichen – quollen heraus. Auf der Anrichte waren Tassen, Teller, und Schüsseln in wüstem Durcheinander übereinandergetürmt. Eine Schranktür stand halb offen, und so konnte ich sehen, daß der Schrankinhalt ebenso durcheinandergeworfen war. Am auffallendsten war eine große alte Kommode, die an einer Wand stand und die mit Dokumentenschachteln, Bündeln von mit rotem Band verschnürten Briefen, Papieren, Urkunden, Rechnungen und dergleichen überhäuft war. All dies war in solcher Unordnung auf die Kommode getürmt, daß viele der Papiere auf den Boden gefallen waren. Mitten in dem Chaos lagen eine beschriebene Kindertafel und ein paar Stücke Kreide. In diesem ganzen Durcheinander schien der Eichentisch in der Mitte der Küche eine Insel der Ordnung. Auf ihm lag eine feine Damasttischdecke und er war säuberlich für drei Personen zum Tee gedeckt, mit Platten, auf denen Brot und Butter und zwei große Kuchen lagen – einer mit Früchten, der andere mit Schokolade –, und dazu noch kleineres Gebäck.
Ich überlegte, wo wohl das Abendessen unseres Gastgebers hingekommen sei, aber dann entdeckte ich einen Stapel von schmutzigem Geschirr auf der überfüllten Anrichte. Nach allem, was Quitregard mir gesagt hatte, mußte die Haushälterin des alten Herrn, Mrs. Bubbosh, mittags fortgegangen sein und würde nicht vor sechs Uhr zurückkommen. Ich nahm an, daß sie den Tisch gedeckt und für Brot und Kuchen gesorgt hatte.
Als Mr. Stonex
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