Die schwarze Schwesternschaft - 8
Dingelchen war so vermummt, dass ich von ihr fast nur die großen blauen Augen sah.
Lexie. Also waren sie noch beisammen, und Lexie war vor zwei Tagen noch gesund gewesen. Magda h ö rte, dass Cholayna vor Erleichterung leise seufzte. Vielleicht konnten sie die beiden irgendwo auf dem Pass sogar einholen.
Sie fragte mich – die große, Eure Schwester –, ob es ein schlechtes Jahr f ü r Banshees sei. Ich musste ihr antworten, ja, ein sehr schlechtes. Erst vor zehn Tagen beim letzten Sturm h ö rten wir eins direkt vor dem Tor schreien. Seid vorsichtig, Schwester. Versucht, die hohen Stellen hinter euch zu bringen, bevor die Sonne wieder untergeht , warnte er sie. M ö gen die Heiligen mit euch reiten. Aye, ihr werdet sie brauchen, wenn ihr euch bei Nacht auf diese Straßen wagt. Er schloss das Tor hinter ihnen.
Vor ihnen lag die nach oben f ü hrende Straße, steinig und steil, kn ö cheltief mit Schnee bedeckt, rechts und links von hohen Verwehungen ges ä umt. Jaelle stieg auf und gab den anderen ein Zeichen, es ihr gleichzutun. Von hoch oben kam wie eine Warnung der schrille Schrei eines Banshees.
Keine Bange , sagte Jaelle. Die Sonne ist l ä ngst aufgegangen, bis wir den Pass erreichen, und sie sind Nachttiere. Los!
21
Drei Tage sp ä ter saß Magda auf einem Packsattel und betrachtete den Trockenfleischriegel in ihrer Hand. Sie war fast zu m ü de zum Essen. Das notwendige Kauen und Schlucken lag wie eine große Anstrengung vor ihr.
Die beißenden Winde des Nevarsin-Gipfels hatten so unwesentliche ä ngste wie die vor Zauberinnen und psychischen Angriffen weggeblasen. Keine von ihnen hatte einen Augenblick Zeit gehabt, an etwas anderes als die bloße Technik des ü berlebens zu denken. Schmale Felssteige, ein Schneesturm, der ihr letztes noch vorhandenes Zelt wegfegte und sie zwang, sich in einem hastig gegrabenen Schneeloch zusammenzudr ä ngen, eine K ä lte, die den letzten Anschein von Mut und Kraft vernichtete, und des Nachts st ä ndig die schrecklichen, l ä hmenden Schreie der lauernden Banshees.
Camilla drN uckte ihr einen Becher Tee in die Hand. Wie hielt Camilla in ihrem Alter das aus? Ihre Augen waren rot und brannten vom Wind, ihre Nasenspitze zeigte eine offene Stelle von einer Erfrierung, aber die wenigen Stunden Schlaf, die ihnen im Schnee m ö glich gewesen waren, hatten sie belebt. Sie setzte sich schweigend auf eine andere Packlast nieder und schl ü rfte ihren eigenen Tee, in den sie Trockenfleisch und Brot gebrockt hatte. In dieser H ö he hatte man keinen Atem f ü r ü berfl ü ssige Worte.
Geht es Cholayna heute Morgen gut?
Sieht so aus. Aber wenn wir nicht bald in eine tiefere Lage kommen, m ö chte ich mir gar nicht erst ausmalen, was passieren k ö nnte. Sie hat die ganze Nacht gehustet. Nicht einmal Cholaynas Husten hatte Magda in dieser letzten Nacht wecken k ö nnen. Hinter ihnen lag ein alptraumhafter Abstieg von dem Pass nach Sonnenuntergang, bei Mondschein ü ber den Schnee. Kyorebni schossen pl ö tzlich aus den Schwindel erregenden Abgr ü nden fast zu ihren F ü ßen hoch, schlugen mit den Fl ü geln und kreischten und verschwanden wieder. An ausgewaschenen Stellen des Weges bekamen sogar die Chervines Angst, und sie mussten ihnen gut zureden. Bei den Pferden half nur rohe Gewalt. Sie zerrten r ü ckw ä rts und rollten, entsetzt ü ber den Banshee-Geruch in den Klippen, mit den Augen.
Jaelle hatte sie alle heil hin ü bergebracht, sie hatten kein Pferd und kein Chervine und nicht einmal eine Packlast verloren. Magda richtete den Blick auf ihre Freipartnerin, deren schm ä chtige Gestalt auf einer Packlast zusammengesunken war, die mit Rosinen gef ü llte Hand auf halbem Weg zum Mund erstarrt. Unter ihrer pelzgef ü tterten Kapuze lugten die roten Locken ungek ä mmt und verfilzt hervor, ihre grauen Augen waren ebenso entz ü ndet wie die Camillas und Magdas. Welch eine Tapferkeit, welch eine Willenskraft steckten in diesem kleinen K ö rper! Es hatte auf dem Pass Augenblicke gegeben, als Magda, selbst eine kr ä ftige junge Frau in ausgezeichneter k ö rperlicher Verfassung, sich mit rasendem Herzen und dr ö hnendem Kopf, Gesicht und Glieder starr vor Frost, nur noch hatte hinwerfen wollen wie die Ponys, nicht wissend, woher sie Atem und Mut f ü r den n ä chsten Schritt hernehmen sollte. Sie konnte sich vorstellen, was es f ü r Cholayna bedeutet hatte. Aber die ä ltere Frau hatte sich tapfer an ihrer Seite weitergek ä mpft und nicht ein einziges Wort der
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