Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
erhaschte er in ihren Augen ein Flüstern der Frau, die sie eines Tages sein würde.
Dieser Anblick machte es ihm unmöglich, es dabei bewenden zu lassen.
Sanft nahm er ihr Gesicht in die Hände und beugte sich zu ihr, um den Kuss zu erwidern. Seine Lippen blieben geschlossen und sein Kuss war genauso leicht wie der ihre, doch er war weder unschuldig noch keusch. Als er den Kopf endlich wieder hob, wusste er, dass er ein gefährliches Spiel spielte.
Jaenelle wankte und musste sich an der Bank abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und betrachtete ihn mit leicht glasigen Augen. »Küssen ... küssen alle Jungen so?«
»Jungen küssen überhaupt nicht so, Lady«, meinte er leise und ernst. »Die meisten Männer auch nicht, aber ich bin nicht wie die meisten Männer.« Langsam löste er sich von ihr. Er hatte heute Abend bereits mehr getan, als er hätte tun sollen; jeder weitere Schritt würde ihr Schaden zufügen. Morgen würde er wieder der Spielkamerad sein, der er gestern und vorgestern gewesen war. Doch sie würde sich an den Kuss erinnern und ihn mit jedem Kuss von jedem willensschwachen Chailloter Jungen vergleichen.
Es war ihm gleich, wie viele Jungen sie küssen würden. Letzten Endes waren es doch nur Jungen.
Er nahm ihr das Armband ab und legte es in die Schachtel
zurück. »Lass es verschwinden«, sagte er leise, während er selbst sich um das Geschenkpapier und die Schleife kümmerte. Als die Schachtel fort war, führte er Jaenelle zurück in den Salon, wo Graff sich sogleich auf die Mädchen stürzte, um sie ins Bett zu bringen.
Philip starrte ihn wütend an, wohingegen Robert affektiert grinste. Leland wirkte flatterig und blass. Es war Alexandras eifersüchtiger, anklagender Blick, der Daemons Zorn erregte. Sie erhob sich, um ihn zur Rede zu stellen, doch in diesem Moment trafen die ersten Gäste zu den Feierlichkeiten ein, welche die ganze Nacht hindurch dauern würden.
An jenem Abend wartete Daemon nicht, bis Alexandra ihn »bat«, sich um einen weiblichen Gast zu kümmern. Stattdessen verführte er jede einzelne Frau im Haus – angefangen mit Leland –, brachte sie während des Tanzens zum Höhepunkt, sah, wie sie sich erschauernd auf die Lippen bissen, bis diese bluteten, weil sie inmitten der Menschen um sie her nicht aufschreien wollten. Oder er verschwand mit einer der Frauen in einer kleinen Nische und stand nach dem ersten eisfeurigen Kuss mit den Händen in den Hosentaschen an der Wand, während seine Phantomberührungen gnadenlos mit dem jeweiligen Frauenkörper spielten, bis seine Begleiterin mit gespreizten Beinen auf dem Boden lag und ihn anflehte, sie mit seiner echten Hand zu streicheln. Dann reichte die flüchtigste Berührung, das Kitzeln seines Fingernagels an der Innenseite ihres Schenkels, das kurze Ertasten ihrer Unterwäsche an der richtigen Stelle, und ihr Appetit war befriedigt – und gleichzeitig ins Unersättliche gesteigert.
Doch Daemon war noch nicht fertig.
Er hatte Alexandra absichtlich gemieden und sie durch das offene Verführen all der anderen Frauen verhöhnt, bis ihre Frustration den Siedepunkt erreicht hatte. Bevor die Tür hinter dem letzten Gast ins Schloss fiel, nahm Daemon Alexandra in die Arme, trug sie die Treppe empor und sperrte
die Schlafzimmertür hinter ihnen zu. Er machte alles wieder gut und zeigte ihr das Vergnügen, das er einer Frau bereiten konnte, wenn er in der richtigen Stimmung war. Außerdem zeigte er ihr, weshalb man ihn den Sadisten nannte.
Als er lange nach dem Morgengrauen in sein eigenes Zimmer taumelte, fiel ihm sofort auf, dass sich jemand an seinem Bett zu schaffen gemacht hatte. Eine kurze, wütende mentale Untersuchung offenbarte ihm das Päckchen unter seinem Kopfkissen. Nachdem er die Bettdecke vorsichtig weggezogen und das Kissen zur Seite geschoben hatte, betrachtete er das unbeholfen eingepackte Geschenk und die gefaltete Nachricht, die unter dem Band steckte. Mit einem zärtlichen Lächeln auf den Lippen ließ er sich dankbar aufs Bett sinken.
Sie musste das Päckchen dort versteckt haben, sobald er das Zimmer verlassen hatte.
Die Nachricht lautete: »Ich konnte dir nicht das Geschenk geben, das ich wollte, weil die anderen es nicht verstanden hätten. Fröhliches Winsol, Daemon. Alles Liebe, Jaenelle.«
Daemon öffnete das Päckchen und klappte den Bilderrahmen auf. Die linke Seite war für Lucivars Bild reserviert. Auf der rechten ...
»Es ist schon
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