Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
zusammensank, einen scharfen Blick zu. »Manche Kinder erschaffen Schatten, um den Anschein zu erwecken, dass sie in ihrem Bett liegen und schlafen, während sie in Wirklichkeit unterwegs sind und Dummheiten anstellen.« Für den Bruchteil einer Sekunde sah er einen Erinnerungsfetzen in Daemons Augen aufflackern und ein gequältes Lächeln umspielte die Lippen seines Sohnes. »Das ist ein Schatten der ersten Stufe, der unbeweglich ist. Ein Schatten zweiter Stufe ist beweglich, aber er muss wie eine Marionette geführt werden. Diese Art Schatten sieht fest aus, kann aber nicht angefasst werden und besitzt auch keinerlei Tastsinn. Der Schatten dritter Stufe ist der stärkste, von dem ich je gehört habe, und verfügt über einen Tastsinn. Er kann fühlen, kann aber nicht gefühlt werden. Aber auch dieser Schatten muss von außen gelenkt werden.«
Daemon dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Hierbei handelt es sich um mehr.«
»Ja, hierbei handelt es sich um viel, viel mehr. Dieser Schatten ist mit so viel Geschick ins Leben gerufen worden, dass er in vorhersehbaren Situationen unabhängig agieren kann. Ich gehe einmal davon aus, dass die Konversation, die dabei herauskommt, nicht gerade anregend ist« – Daemon stieß ein verächtliches Schnauben aus – »aber es bedeutet, dass sich die Erzeugerin des Schattens in der Zwischenzeit völlig anderen Dingen widmen kann.«
»Die da wären?«
»Tja«, meinte Saetan, indem er ihre Gläser erneut füllte, » das ist die interessante Frage.«
Daemons Augen funkelten zornig. »Warum würde sie so ein Ding erschaffen?«
»Wie schon gesagt, das ist die wirklich wichtige Frage.«
»Das ist alles? Wir warten einfach nur ab?«
»Zuerst einmal schon, aber wer sie zuerst in die Finger bekommt, nimmt sie in die Mangel, bis ihr Hören und Sehen vergeht. Zweimal.«
Langsam verzogen sich Daemons Lippen zu einem Lächeln. »Du machst dir Sorgen.«
»Da hast du verdammt noch mal Recht«, fuhr Saetan ihn an. Da er nun nicht mehr Daemons Wut in Schach halten musste, konnte er seiner eigenen freien Lauf lassen. »Wer im Namen der Hölle weiß schon, was sie diesmal wieder anstellt?« Mit einem gereizten Knurren ließ er die Schultern hängen.
Daemon lehnte sich zurück und lachte.
»Amüsiere dich nicht zu sehr, Junge. Immerhin hättest auch du eine Tracht Prügel verdient.«
Daemon musste blinzeln. » Ich? «
Saetan beugte sich vor. »Ja, du! Wenn du ihr das nächste Mal sagst, sie solle sich fachmännisch unterweisen lassen, bevor sie etwas versucht, vergiss gefälligst nicht zu erwähnen, dass ich der Fachmann bin, an den sie sich wenden soll.«
»Was ...«
»Traumweberei. Erinnerst du dich an die Traumweberei, Namensvetter?«
Daemons Gesicht wurde blasser. »Ich erinnere mich, aber ich sagte ihr ...«
»... sie solle sich der bestmöglichen Ausbildung unterziehen und das hat sie auch getan.«
»Aber wo liegt denn dann ...«
»Hast du je von Arachna gehört?«
Mit einem Mal wich sämtliche Farbe aus Daemons Gesicht. »Das ist bloß eine Legende«, flüsterte er.
»Fast alles in Kaeleer ist Legende, Junge«, meinte Saetan dröhnend. »Das hat sie nicht davon abgehalten, die Bekanntschaft von ein paar höchst interessanten Wesen zu machen.«
Wütend starrten die beiden einander an, bis Daemon schließlich bedrohlich leise sagte: »Wie von dir zum Beispiel? «
Verflucht, der Junge bereitete ihm Freude! Saetan atmete
tief durch und stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Früher einmal war ich interessant«, erwiderte er düster. »Man respektierte mich, ja fürchtete mich. Mein Arbeitszimmer war eine ungestörte Zufluchtsstätte, die niemand aus freien Stücken betreten hätte. Doch ich bin alt geworden« – Daemon warf ihm einen überraschten Blick zu – »und mittlerweile hämmern pausenlos Dämonen an meine Tür und regen sich darüber auf, dass Jaenelle sie nicht besucht hat, oder sie beschweren sich über ihren Besuch, je nachdem. Meine Köchin bedrängt mich, weil sie wissen will, ob die Lady heute kommt, damit sie ihre Lieblingspastete zubereiten kann. Außerdem geben sich die Kaufleute bei mir die Klinke in die Hand, bitten unterwürfig um eine Audienz und sind sogar erleichtert, in meiner Gegenwart zu sein, wenn sie händeringend ihre Schauergeschichten erzählen.«
Daemon, dessen Miene sich zunehmend aufgeheitert hatte, legte erneut die Stirn in Falten. »Die Dämonen und die Köchin verstehe ich ja, aber was wollen die Kaufleute?«
Saetan
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