Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
während der Besuchszeiten nach Briarwood kamen, wussten nichts von diesem Eingang – außer ein Elternteil gehörte zum Kreis der exklusiven Mitglieder. Sie wussten nichts von den schwach erleuchteten Gängen mit den dicken Teppichen, die jedes Geräusch verschluckten. Sie wussten nichts von dem Spielzimmer oder dem Salon oder den kleinen, schalldichten Kabinen, die gerade groß genug waren, um einen Stuhl, ein Bett und ein paar andere amüsante Utensilien zu beherbergen. Sie wussten nichts von den Tränen und Schreien und den Schmerzen. Sie wussten nichts von der speziellen »Medizin«.
Sie wussten von vielen Dingen nichts.
Vergnügungshungrig schlenderte Kartane durch die Korridore. Er war wütend auf Sadi und dieses kleine Miststück, weil sie ihnen heute Abend in die Quere gekommen waren. Es war schwer genug, Mädchen herbeizuschaffen. Oh, Blutkinder aus den unteren Schichten ließen sich kaufen – das richtige Getränk inmitten der richtigen Partie sorgte dafür, dass ein hübsches Mädchen zum Einsatz auf dem Kartentisch wurde. Doch es waren die adeligen kleinen Mädchen, bei deren Erziehung Wert auf empfindsames Zartgefühl gelegt wurde, die den meisten Spaß brachten – und die am schwersten zu beschaffen waren. Normalerweise musste man den Vater verlocken, um an das Kind zu kommen ... außer während Winsol, wenn dem Sekt heimlich ein wenig Safframate beigegeben werden konnte. Dann konnte das
Mädchen zerbrochen und wieder gesäubert werden, bevor man es ihren gutgläubigen Eltern zurückbrachte. Wenn dann am folgenden Tag die Hysterie einsetzte, kam ganz zufällig Dr. Carvay zu Besuch und berichtete den besorgten Eltern von jener Hysterie, der zahlreiche adelige Mädchen des Blutes zum Opfer fielen. Anschließend wurde die Kleine behutsam nach Briarwood fortgebracht, von wo aus sie nach ein oder zwei Monaten – oder ein oder zwei Jahren – in den Schoß ihrer Familie zurückkehrte, um schließlich mit irgendjemandem verheiratet zu werden und den Rest ihres Lebens mit jenem leicht glasigen Blick in den Augen vor sich hin zu vegetieren, ohne je zu begreifen, weshalb ihr Gatte enttäuscht von ihr war, und ohne sich daran zurückzuerinnern, welch reizende, kleine Gespielin sie einst abgegeben hatte.
Selbstverständlich wurden auch ein paar Mädchen mit echten geistigen Störungen aufgenommen. Dieses kleine Flittchen Rose war eines davon gewesen. Ebenso Sadis milchgesichtiges Miststück.
Kartane fing zu zittern an, als er den bewachten Raum, in dem die Mädchen, die für den jeweiligen Abend ausgewählt worden waren, in Spitzennachthemdchen warteten. Die Mädchen schienen die Kälte nicht zu spüren, doch der Aufseher saß vornübergebeugt da und rieb sich ständig die Hände, um sich aufzuwärmen. So war es manchmal. Nicht immer, aber manchmal.
Während er das heutige Angebot musterte, gewahrte er zwei glasige Saphiraugen, die ihn ungerührt anstarrten.
Als der Aufseher seinem Blick folgte, sah er gleich darauf schlotternd zur Seite. »Der haben sie noch mal eine Dosis gegeben, nachdem sie hierher gebracht worden war, aber irgendetwas ist schief gelaufen. Sie ist einfach nur mucksmäuschenstill geworden.« Er zuckte mit den Schultern.
Sie war völlig unscheinbar, fand Kartane. Was an ihr faszinierte Sadi derart? Was war so Besonderes an dieser einen, dass er Dorotheas Zorn riskieren würde?
Kartane hob das Kinn in Jaenelles Richtung. »Bring sie in zehn Minuten auf mein Zimmer.«
Der Aufseher zuckte zusammen, nickte jedoch.
Während Kartane wartete, stärkte er sich mit etwas Brandy. Er war neugierig, das war alles. Nicht, dass er tatsächlich mit ihr spielen würde, nachdem Sadi ihn gewarnt hatte. Leute aus dem Umfeld des Sadisten verschwanden auf so geheimnisvolle Art und Weise. Und Cornelias Zimmer ...
Der Brandy regte sich in Kartanes Eingeweiden. Nein, er war nur neugierig. Er wollte lediglich ein paar Minuten allein mit ihr verbringen, um zu sehen, ob er Daemons Interesse begriff, und er würde nichts tun, was den Zorn des Sadisten hervorrufen könnte.
Die Türklinken der Kabinen waren sowohl außen wie innen sehr hoch angebracht, sodass ängstliche, kleine Mädchen nicht zu einem unpassenden Moment entwischen konnten. Kartane öffnete die Tür. Sobald er den Raum betreten hatte, konnte er das Zittern nicht unterdrücken.
Sie saß auf dem Bett und starrte die Wand an; wie eine steife Puppe, die jemand in eine lebensechte Pose zu setzen versucht hatte. Kartane ließ sich auf dem Stuhl
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