Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
nieder. Nachdem er sie mehrere Minuten lang gemustert hatte, befahl er scharf: »Sieh mich an!«
Jaenelles Kopf drehte sich langsam, bis ihre Augen auf sein Gesicht gerichtet waren.
Kartane fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wie ich höre, ist Sadi dein Freund.«
Keine Antwort.
»Hat er dir gezeigt, wie du ein artiges Mädchen bist?«
Keine Antwort.
Er runzelte die Stirn. Hatten sie ihr wirklich nur Safframate gegeben? Kartane hatte schon erlebt, welche Wirkung jenes Aphrodisiakum hatte. Es sollte ihr nicht möglich sein, auf diese Weise auf dem Bett zu sitzen. Sie sollte überhaupt nicht still sitzen können.
Kartanes Stirn glättete sich, als ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Er hatte entschieden, die Finger von ihrem Körper zu lassen, doch das bedeutete nicht, dass er sie überhaupt nicht berühren konnte. Er trug ein rotes Juwel. Sie trug nichts.
Sich behutsam vortastend sandte er eine Verbindung zu ihrem Geist aus, um zumindest die erste Barriere zu überwinden und herauszufinden, was Sadi so faszinierte. Die erste Barriere öffnete sich beinahe, bevor er sie berührt hatte, und er fand ...
Nichts.
Nichts außer schwarzem Nebel, der von Blitzgewitter durchzuckt wurde. Kartane hatte das Gefühl, am Rande eines bodenlosen Abgrunds zu stehen, ohne zu wissen, ob ein Schritt vorwärts oder zurück ihn in den Abgrund stürzen lassen würde. Unsicher hing er dort, während der Nebel sich um ihn wand und sich seinem Geist näherte.
Der Nebel war nicht leer.
Weit, weit unter sich konnte Kartane etwas Dunkles, Furchterregendes, Grausames spüren, das von seiner Anwesenheit angezogen wurde und sich langsam zu ihm umwandte. Er war in der Höhle eines wilden Tieres gefangen, ohne etwas zu sehen oder abschätzen zu können, ob der Angriff von vorne oder hinten kommen würde. Was immer es war, es schraubte sich langsam wie eine Spirale aus dem Nebel hervor. Wenn er es tatsächlich sah, würde er ...
Kartane brach die Verbindung ab. Die Hände hatte er vor sich ausgestreckt, als wolle er eine unsichtbare Bedrohung in Schach halten. Sein Hemd war schweißdurchtränkt. Noch immer kam sein Atem nur stoßweise, doch er zwang sich, die Hände sinken zu lassen.
Jaenelle lächelte.
Kartane sprang von seinem Stuhl auf und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand, zu verängstigt, um sich entsinnen zu können, wie man die Tür entriegelte.
»Du bist einer von uns«, sagte Jaenelle mit hohler, zufriedener
Stimme. »Deshalb hasst du uns so. Du bist einer von uns.«
»Bin ich nicht!« Er konnte die Tür nicht aufsperren, ohne sich umzudrehen, doch er wagte es nicht, ihr den Rücken zuzukehren.
»Du tust uns das an, was einst dir angetan wurde. Sie benutzt dich als Werkzeug. Obwohl du sie so sehr hasst, wie du sie fürchtest, dienst du Dorothea.«
» Nein! «
»Ihr Blut ist das einzige Blut, mit dem die Rechnung beglichen werden kann. Doch deine Schuld ist größer. Am Ende wirst du bezahlen, für jede Einzelne.«
»Was bist du?«, schrie Kartane.
Lange starrte Jaenelle ihn einfach nur an. »Was ich bin«, sagte sie leise mit einer Stimme, in der die Dunkelheit sang.
Die versperrte Tür glitt auf.
Kartane stürzte auf den Gang.
Die Tür schloss sich wieder.
Zitternd lehnte Kartane an der Wand. Böses kleines Miststück. Sadis kleine Hure. Was immer sie war, wenn sie sich mit dem Sadisten zusammentat ...
Kartane strich sich die Kleidung glatt und lächelte. Er würde sich bestimmt nicht die Finger damit schmutzig machen, dem kleinen Miststück Manieren beizubringen.
Aber Greer. Greer hatte seinen Besuch in Briarwood höchst befriedigend gefunden und Kartane anschließend gefragt, ob ihm irgendwelche ungewöhnlichen Mädchen aufgefallen seien.
Dieses hier sollte selbst für Greers Geschmack ungewöhnlich genug sein.
3Terreille
S urreal kniete neben einem Baum am hinteren Ende von
Briarwoods schneebedeckter Rasenfläche. Sie hatte beobachtet, wie Kartane hinter einem Gebüsch verschwunden und nicht wieder hervorgekommen war, sodass sie sich sicher war, dass es dort einen privaten Eingang geben musste.
Sie runzelte die Stirn. Die weite Rasenfläche bot keinerlei Deckung, und wenn jemand um das Gebäude herumkam anstatt durch die Tür, würde sie eventuell zu früh entdeckt werden. Rechts des Rasens befanden sich die Überreste eines großen Gemüsegartens, doch auch hier gab es keine Deckung. Sie konnte einen Sichtschutz verwenden, doch sie war keine Meisterin darin, einen zu erschaffen und
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