Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
gesagt, dass ich darauf reiten soll.«
In dem Augenblick, bevor die Welt in Stücke geflogen war, hatte er eine junge, weibliche Stimme den Befehl rufen gehört: »Reite darauf! Reite darauf!« Doch er hatte nicht verstanden, was gemeint war – und verstand es noch immer nicht. Noch beängstigender war der Umstand, dass Wilhelmina nun ein saphirnes Juwel trug. Irgendwie war es ihr inmitten des Chaos gelungen, ihr Opfer darzubringen, obgleich sie noch viel zu jung war. Jetzt war dieses unerfahrene Mädchen stärker als jeder Einzelne von ihnen.
Am schlimmsten war jedoch der Verrat, den Guinness und die Stalljungen begangen hatten, insbesondere Andrew. Sie hatten die hayllischen Wachen bekämpft und sie aufgehalten. Wenn sie nicht eingegriffen hätten, wäre Sadi vielleicht gefangen worden, und Beldon Mor ... Nun, er hatte Guinness, Andrew und die anderen Überlebenden entlassen. Es bestand kein Grund, Verräter im Haus zu behalten, besonders wenn sie ihm ins Gesicht sagten ... wenn sie ihn einen ... Es war einfach unfassbar, dass sie sich auf Sadis Seite geschlagen und gegen die Familie Stellung bezogen hatten!
Philip schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. Wer hätte gedacht, dass ein einzelner Mann innerhalb einer Minute so viel Zerstörung anrichten konnte? Die Hälfte der Blutleute in Beldon Mor war tot, dem Wahnsinn verfallen oder zerbrochen.
Schluchzend seufzte Philip. Sein Körper war beinahe zu geschwächt, um Grün zu tragen, doch er würde sich erholen. So weit würde er sich erholen.
Die Hälfte der Blutleute. Wenn Sadi ein zweites Mal zugeschlagen hätte ...
Doch seitdem die wellenartigen Erschütterungen verebbt waren, hatte es nicht mehr die geringste Spur von Daemon Sadi gegeben.
Und niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, was aus Greer geworden war.
10Terreille
S urreal lehnte mit dem Rücken am Kopfbrett des Bettes und trank aus der Whiskeyflasche, die sie an die Brust gepresst hielt.
Die letzten paar Stunden hatten Deje und sie sich um die anderen gekümmert, wobei sie denjenigen, die es nötig hatten, Beruhigungsmittel gaben, während sie den übrigen erlaubten, sich besinnungslos zu betrinken. Deje, deren Gesicht ganz aschfahl von der Anstrengung war, hatte dankbar genickt, als Surreal sich bereit erklärte, die Toten zu entsorgen. Glücklicherweise hatte es nicht viele Leichen gegeben, da am Tag nach den Winsolfesttagen in den Häusern des Roten Mondes nie viel los war. Sie hatte sie in Laken gewickelt, bevor Dejes kräftigere männliche Angestellte die Zimmer betraten, um die Leichen fortzuschleifen.
Jeder, sie selbst eingeschlossen, roch nach Angst.
Immerhin war er ja auch der Sadist.
Es wäre schlimmer geworden, sagte sie zu sich selbst, während sie fortfuhr, von dem Whiskey zu trinken, es wäre viel, viel schlimmer geworden, wenn Jaenelle ihnen nicht zugerufen hätte, auf den Erschütterungswellen zu reiten. Schon komisch. Jede Hexe in Dejes Haus, die ein Juwel trug, hörte die Warnung und wusste instinktiv, was sie zu bedeuten hatte. Doch die Männer... Jaenelle hatte nicht genug Zeit gehabt, selektiv vorzugehen. Manche hörten sie, manche nicht. Das war alles. Diejenigen, die sie nicht gehört hatten, waren jetzt tot.
Was war geschehen, dass er derart wütend geworden war? Welche Gefahr konnte ein derartiges Inferno heraufbeschwören?
Vielleicht musste die Frage richtig lauten: Wer befand sich in Gefahr?
Als sie langsam ruhiger wurde, stellte Surreal die Whiskeyflasche auf dem Nachttisch ab, um anschließend einen kleinen, rechteckigen Lederbehälter herbeizurufen. Sobald sie fertig war, würde sie ein wenig schlafen. Es war unwahrscheinlich, dass irgendetwas vor dem Abend passieren würde. Dafür hatte Sadi gesorgt, absichtlich oder nicht.
Während der Anflug eines Lächelns ihre Lippen umspielte, summte Surreal leise vor sich hin und ließ den Schleifstein aus dem Lederetui gleiten, um ihre Messer zu schärfen.
11Terreille
D orothea beobachtete, wie die Flammen im Kamin tanzten. Jeden Augenblick würde die Dunkle Priesterin in der alten heiligen Stätte erscheinen. Dann konnte sie dem Miststück die Nachricht überbringen und nach Hause zurückkehren.
Wer hätte gedacht, dass er den Ring des Gehorsams zerbrechen könnte? Wer hätte gedacht, dass die Zerstörung des Rings, während der Träger sich auf der anderen Seite des Reiches befand, dazu führen könnte ...
Welch glückliche Fügung, dass sie damit begonnen hatte, die jungen Hexen ihres
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