Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
war sie davon ausgegangen, dass sein Einfluss gemildert sei und er ihnen sein Mal erst aufdrücken würde, wenn er mit ihrer Ausbildung begann.
Sie hatte Unrecht behalten. Saetans Ehrenkodex war bereits tief in den Jungen verwurzelt und zu dem Zeitpunkt, als sie es feststellte, war es zu spät, sie auf andere Pfade zu führen. Ohne zu wissen, warum, hatten sie sich gegen alles zur Wehr gesetzt, das dem Ehrenkodex widersprach. Dieser Kampf und die damit einhergehenden Schmerzen hatten sie ebenfalls geformt.
Und jetzt gab es da dieses Mädchen.
Vor fünf Jahren hatte Hekatah eine fremde, dunkle Macht auf der Insel der kindelîn tôt gespürt. Seitdem war sie geflüsterten Gesprächsfetzen und anderen Spuren gefolgt, die alle zu nichts geführt hatten. Die Verworrenen Netze, die sie geschaffen hatte, zeigten ihr lediglich dunkle Macht in einem weiblichen Körper. Genau die Art Macht, die ihr ohne weiteres zur Kontrolle über das Reich verhelfen könnte, sofern man sie formte und in die richtigen Bahnen lenkte.
Fünf Jahre hatte es gedauert, bis sie herausgefunden hatte, dass Saetan das Kind unterrichtete – was sie zutiefst erbost hatte. Dieses Mädchen hätte von Anfang an ihr gehören
und in ihren Händen ein abhängiges Werkzeug sein sollen, mit dessen Hilfe sie all ihre ehrgeizigen Träume verwirklichen könnte. Stünde ihr diese Art Macht zur Verfügung, könnte nichts und niemand sie aufhalten.
Doch wieder einmal kam sie zu spät.
Wenn Saetan sich bereit erklärt hätte, das Mädchen zu teilen, hätte sie es sich vielleicht anders überlegt. Da er sich jedoch weigerte und sie nicht gewillt war, das Kind zu einer Gefahr heranreifen zu lassen, würde sie die brutalste Waffe einsetzen, die ihr zur Verfügung stand: Daemon Sadi.
Seinem Vater gegenüber würde er keinerlei Liebe empfinden. Man könnte ihm zehn Jahre in kontrollierter Freiheit anbieten – natürlich immer noch mit Ring, doch ohne in einem Hof Dienst tun zu müssen. Zehn Jahre – nein, hundert – nicht vor einer Hexe knien müssen. Was war schon das Leben eines einzigen Kindes, noch dazu einer Fremden, die von eben dem Mann hofiert wurde, der ihn einst im Stich gelassen hatte – im Vergleich dazu, nicht dienen zu müssen? Und wenn ihm der Mischling obendrein dazugegeben würde? Sadi war stark genug, selbst dem Höllenfürsten die Stirn zu bieten. Sadi besaß die Gerissenheit, ein Kind zu umgarnen, und die Grausamkeit, es zu zerstören. Doch wie sollte er nahe genug an die Kleine herankommen, um zuschlagen zu können? Darüber musste sie sich unbedingt Gedanken machen. Irgendwo tief im Westen von Hayll. So weit war sie der Fährte des Mädchens gefolgt.
Oh, wie Saetan sich schreiend am Haken seiner Ehre winden würde, wenn Sadi sein kleines Spielzeug vernichtete.
Hekatah ließ die Arme sinken und betrachtete lächelnd die Gardine, die in Fetzen von der Stange hing. Sie entfernte ein Stück Stoff, das an einem ihrer Fingernägel hängen geblieben war, und eilte aus dem Salon. Es verlangte sie danach, die Burg zu verlassen und ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Saetan belegte die Wohnzimmertür mit einem schwarzen
Bannspruch, bevor er an den Ecktisch trat, auf dem Gläser und eine Karaffe mit Yarbarah standen. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er bemerkte, wie sehr seine Hände zitterten. Anstatt nach dem Yarbarah zu greifen, holte er eine Brandyflasche aus dem Fach darunter, schenkte sich ein Glas ein und musste husten, als er es trank, weil er das Brennen nicht mehr gewöhnt war. Es war Jahrhunderte her, seitdem er zum letzten Mal Alkohol pur getrunken hatte. Mit dem Brandyglas in den zitternden Händen ließ er sich in einen Sessel sinken.
Hekatah wäre hocherfreut, wenn sie wüsste, wie viel Angst sie ihm eingejagt hatte. Wenn Jaenelle von Hekatahs ehrgeiziger Herrschsucht und ihrer gierigen Zerstörungswut angesteckt würde ... Nein, nicht Jaenelle! Man musste sie behutsam und sanft an das Blut binden, sodass sie die Fesseln des Protokolls und der Gesetze akzeptierte. Das waren die einzigen Dinge, die sie alle davon abhielten, sich ohne Unterlass gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Denn bald, zu bald, würde sie Pfade betreten, die bisher keiner von ihnen betreten hatte, und sie würde sich so weit von den Blutleuten entfernen, wie diese von den Landen entfernt waren. Und die Macht! Mutter der Nacht! Wer war in der Lage, sie aufzuhalten?
Wer würde sie aufhalten wollen ?
Saetan goss sich erneut ein und schloss die
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