Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
nachdenklich, verstehst du?«
Daemon aß sein Brot auf und leerte die Tasse. »Wie lange ist sie schon fort?«
»Seit Beginn des Frühjahrs. Diesmal hat sie allen einen Floh ins Ohr gesetzt. Deshalb hat man sie so lange dort gelassen. «
Verächtlich verzog Daemon den Mund. »Was kann ein Kind denn schon gesagt haben, auf dass sie die Kleine derart lange wegsperren möchten?«
»Sie behauptete ...« Die Köchin wirkte nervös und durcheinander. »Sie behauptete, dass Lord Benedict nicht ihr Vater sei. Sie sagte, dass Prinz Philip ...«
Daemon stieß ein lautes Seufzen aus. Ja, soweit er die Verhältnisse und den Umgang innerhalb der Familie beurteilen konnte, würde eine derartige Aussage die einzelnen Mitglieder in Aufregung versetzen. Trotzdem ...
Die Köchin betrachtete ihn eine Zeit lang und schenkte ihnen beiden erneut ein. »Lass mich dir von Jaenelle erzählen.
Bis vor zwei Jahren diente meine Tochter einem Krieger, bis ihm plötzlich einfiel, dass er eine Hübschere haben wollte. Also warf er sie zusammen mit dem Kind hinaus, das sie ihm geboren hatte. Die beiden kamen hierher zu mir, da sie keinen anderen Ort hatten, an den sie hätten gehen können, und Lady Alexandra ließ sie bleiben. Meine Tochter erledigte kleinere Hausarbeiten und half mir in der Küche. Meine Enkelin Lucy – das süßeste kleine Ding, das man sich nur vorstellen kann – blieb meist bei mir in der Küche, obwohl Miss Jaenelle sie immer mitspielen ließ, wenn die Mädchen draußen waren. Lucy war nicht gerne allein draußen, weil sie Angst vor Lord Benedicts Jagdhunden hatte, und die Jungen, die für die Hunde zuständig sind, ärgerten sie, da sie von ihrer Furcht wussten, reizten die Hunde und ließen sie von der Leine, damit sie das Mädchen jagten.
Eines Tages trieben sie es zu weit. Die Hunde hatten nur kleine Futterrationen bekommen, weil sie demnächst auf die Jagd sollten, und waren unruhiger als sonst, wobei die Jungen sie außerdem noch ganz besonders scharf machten. Der Anführer des Rudels machte sich von der Leine los und verfolgte Lucy bis in den Sattelraum in den Stallungen. Als sie stolperte, stürzte er sich auf sie und verbiss sich in ihren Arm. Meine Tochter und ich liefen aus der Küche, sobald wir die Schreie hörten, und Andrew, einer der Stalljungen, ein wirklich feiner Kerl, kam auch angelaufen.
Lucy lag laut schreiend am Boden, während der Hund an ihrem Arm riss, und auf einmal erschien auch Miss Jaenelle. Sie sagte etwas in einer unverständlichen Sprache zu dem Hund, der daraufhin sofort von Lucy abließ und mit eingezogenem Schwanz aus dem Stall trottete.
Lucy sah furchtbar aus, ihr Arm war völlig zerfetzt und ein Knochen stand nach oben, wo das Hundegebiss ihn gebrochen hatte. Miss Jaenelle trug Andrew auf, schnell einen Eimer Wasser zu besorgen, kniete sich neben Lucy nieder und redete ruhig auf sie ein, woraufhin Lucy zu schreien aufhörte. Als Andrew mit dem Wasser zurückkehrte, zog Miss Jaenelle von irgendwoher ein Becken hervor – keine Ahnung, wo sie das Ding auf einmal herhatte. Andrew goss das Wasser in das Becken und Miss Jaenelle hielt es eine Minute lang, sie hielt es einfach nur, und auf einmal begann das Wasser zu dampfen, als befände es sich über einer Feuerstelle. Dann legte sie Lucys Arm in das Becken, holte ein paar Blätter und etwas Pulver aus ihrer Tasche hervor und streute alles in das Wasser. Sie hielt Lucys Arm nach unten, wobei sie die ganze Zeit über leise vor sich hin sang. Wir standen bloß da und sahen zu. Es hätte keinen Sinn gehabt, das Mädchen zu einer Heilerin zu bringen, selbst wenn wir das nötige Geld hätten zusammenkratzen können, um eine zu bezahlen. Der Arm war einfach zu sehr zerfleischt worden, und selbst eine ausgezeichnete Heilerin hätte ihn höchstens amputieren können. Also sahen meine
Tochter, Andrew und ich einfach nur zu. Viel gab es allerdings nicht zu sehen, da das Wasser ganz blutig war.
Nach einiger Zeit lehnte Miss Jaenelle sich zurück und hob Lucys Arm aus dem Becken. Eine lange, tiefe Wunde zog sich vom Ellbogen bis zum Handgelenk … mehr nicht! Miss Jaenelle sah der Reihe nach jedem von uns in die Augen. Sagen musste sie nichts, denn wir hatten nicht vor, sie zu verraten. Dann gab sie mir ein Gefäß mit einer Salbe, weil meine Tochter zu durcheinander war, um irgendetwas zu begreifen. ›Tragt diese Salbe dreimal täglich auf und legt Lucy eine Woche lang einen leichten Verband an. Wenn ihr das tut, wird es keine Narbe
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